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Massaker und Poesie (06.07.2005)






Der Buch-Tipp: »Ein Sonntag am Pool in Kigali« von Gil Courtemanche – Ein Tatsachenroman über die historischen und politischen Hintergründe des Völkermords in Ruanda und poetische Liebesgeschichte zugleich.

Von Silvia Bose


»Ein Sommer am Pool in Kigali« – das klingt nach Urlaub, Tropen und Cocktails. Wenn da nicht die ruandische Hauptstadt Kigali erwähnt wäre, die Leser an Schlagzeilen oder einen Fernsehreporter erinnert. Der Mann ringt um Worte bis seine Stimme erstickt und die Kamera langsam auf einen blutroten Fluss voller Leichen schwenkt. Die Nachrichten vom Völkermord erschütterte die Weltöffentlichkeit im Frühjahr 1994. Die Betroffenheit kam zu spät.

Der Kanadier Gil Courtemanche erzählt in seinem Tatsachenroman, wie schon vieles lange auf den Völkermord der Hutu an den Tutsi hindeutet. Wie Mahner ungehört bleiben. Wie sich die Lage zuspitzt und eskaliert. Und mehr noch: »Ein Sommer am Pool in Kigali« ist auch eine große Liebesgeschichte voller Poesie.

Der kanadische Fernsehjournalist Valcourt und die Hutu Gentille verlieben sich. Valcourt hatte sich aufgegeben; war ein lebender Toter bis er Gentille kennen lernt. Sie war zuvor nur Objekt für Männer und lernt durch Valcourt als Frau zu lieben und sich auszudrücken. Eine Liebe auf Zeit. »Wir werden nicht miteinander alt werden… die Zeit tritt aus den Ufern«, sagt Gentille.


Gegensätze im »Land der tausend Hügel«

Der Roman lebt von Gegensätzen. Das nicht nur durch den alternden Held und seine nach Leben hungernde junge Geliebte. Gil Courtemanche bricht die in ihrer Sachlichkeit schon lakonischen Schilderungen einer von Kolonialismus, Bürgerkrieg und AIDS zerrütteten Gesellschaft durch großartige Bilder. Er erzählt vom fetten Leben der Parteibonzen, Botschafter und Prominenten am Pool eines Luxushotels und vom Elend und den Hoffnungen der einfachen Menschen im »Land der tausend Hügel«.

Alle Hoffnungen ruhen auf dem kanadischen UNO-General. Der hatte die UNO-Bürokratie zwar um gebeten, das Mandat seiner Blauhelme zu erweitern, war aber gescheitert und hielt sich streng an seine Vorschriften. Die erlaubten den Truppen sich zu verteidigen, verboten den Soldaten aber einzuschreiten. Und so schaute die UNO zu als Hutus Namenlisten von Tutsi im ganzen Land an Soldaten der Regierungspartei, Polizisten und Extremisten verteilen; Waffenlager im ganzen Land angelegen; das »Hass-Radio« RTLM hetzt und die Hölle losbricht. Die Situation als Hölle zu beschreiben, ist nicht übertrieben: Mit Macheten, Nagelkeulen und Hacken beginnt das Schlachten. Innerhalb von 13 Wochen werden fast eine Millionen Menschen nieder gemetzelt.


»Ich gab dem Teufel die Hand«

Den kanadischen UNO-General gab es wirklich. Er heißt Roméo Dallaire und er leidet unter seiner unrühmlichen Rolle während des Völkermords. Nach einem Selbstmordversuch schrieb er sich in dem Bericht »Ich gab dem Teufel die Hand« seine Erinnerungen von der Seele. Der Titel klingt mutig und so schildert er sich denn auch als jemanden der viel versuchte, aber an höherer Gewalt scheiterte.