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Eingeschränkt mobil (Teil 2)



Ulrike Gieselmann bezeichnete bei der Kundgebung vor dem Rathaus die Einsparungen im kommunalen Haushalt durch die Streichung der Ermäßigung – die Stadt müsste die Differenz zum normalen Fahrpreis dem teilprivatisierten Verkehrsunternehmen erstatten – als Peanuts. Tatsächlich sind 180.000 Euro, die die Ermäßigung Bielefeld pro Jahr kosten würde, bei Gesamtausgaben von mehr als 1 Milliarde Euro nur ein kleiner Posten. Wenn man bedenkt, dass Hartz IV der Kommune Einsparungen in Höhe von 9,5 Millionen Euro in 2005 brachte, klingt die Forderung des Sozialforums, aus diesem Haushaltstitel Gelder für die Mobilität der Menschen mit sehr geringen Einkommen zu verwenden, plausibel.

Der Forderung nach Wiedereinführung der Ermäßigung schloss sich am Donnerstag neben der PDS auch die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen an. In einem Antrag forderte sie, die »Fahrpreisermäßigung für alle Inhaber/innen des Bielefeld-Passes« weiterzuführen. Der Antrag und ein bereits zuvor eingebrachter Antrag der PDS wurde von CDU, SPD, FDP und BfB jedoch abgelehnt. Die Forderung der Demonstranten vor dem Rat »Seid sozial, nicht kalt wie Eis – gebt uns mobiel zum halben Preis« fand kein Gehör.

Damit wird sogar die Fahrt zu »Arbeit plus«, der Einrichtung von Stadt und Arbeitsagentur, die Hartz IV Empfänger wieder in den Arbeitsmarkt integrieren soll, zu einer finanziellen Bürde, die die Betroffenen alleine schultern müssen. Denn Beträge unter 6 Euro werden nicht erstattet, das ist die Bagatellgrenze. Für Empfänger von ALG II sind 5,99 allerdings keine Bagatelle, der Betrag entspricht etwa dem, was sie laut Regelsatz für Nahrungsmittel, Bekleidung und Strom pro Tag zur Verfügung haben.

Entsprechend groß ist auch die Wut der Betroffenen, die sich zur Kundgebung auf dem Rathausplatz versammeln. Sie fühlen sich auch ignoriert. 1600 Unterschriften haben sie in nur sechs Wochen für die Wiedereinführung der Ermäßigung gesammelt.»Die Leute haben uns fast umgerannt«, berichtet Andre Brandt vom Sozialforum über die Unterschriftensammlung. »Aber Oberbürgermeister David war nicht einmal bereit, die Unterschriften entgegen zu nehmen und hat bis heute nicht reagiert«, empört er sich. »Und als wir sie dem Sozial- und Gesundheitsausschuss übergeben wollten, ist der komplette Ausschuss aufgestanden und gegangen«, berichtet er weiter über seine Versuche, die Ratsmitglieder zu informieren.

In einer Rede beschreibt er die Folgen der Streichung der Ermäßigung. Er nennt die Kinder als Beispiel, die erst dann eine Buskarte von der Schule bekommen, wenn die 3,5 Kilometer Luftlinie von der Wohnung entfernt ist. »Ein Schulkind mit einer Tasche von acht bis zehn Kilo soll jeden Tag bis zu zwei Stunden unterwegs sein und dann auch noch mit Kindern konkurrieren, die morgens ausgeruht zur Schule kommen«, rechnet Brandt vor.

Leonore Natale vom Montags-Forum vermutet, dass sich die Kommunalpolitiker »das gar nicht ausgerechnet haben«. Angesichts der Zahlen fragt sie die Ratsmitglieder: »Was gibt es bei der Frage nach der Ermäßigung noch zu überlegen«. Nichts, entschied die Mehrheit der Ratsmitglieder und lehnte die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und PDS angesichts leerer Kassen ab.