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Abschiebung wider Willen (Teil 2)



Im Anschluss daran überreichte der Rechtsanwalt der Ausländerbehörde und dem Gesundheitsamt im Kreis Steinfurt ein ausführliches medizinisches Gutachten von 25 Seiten des Zentrums für Folteropfer ›Exilio‹ mit dem Antrag auf Aussetzung der Abschiebung wegen Reiseunfähigkeit. In dem medizinischen Fachgutachten wurde ausführlich zu der Frage der Glaubwürdigkeit und der Reisefähigkeit der Frau T. Stellung genommen. Das Fachgutachten stuft Frau T. als glaubwürdig und als nicht reisefähig ein. In der Vergangenheit hatte das Gesundheitsamt des Kreises Steinfurt wiederholt Frau T. für reiseunfähig erklärt.

Der Flüchtlingsrat konnte nicht klären, ob das Gesundheitsamt Frau T. vor der geplanten Abschiebung noch einmal auf Grundlage des umfangreichen medizinischen Gutachtens untersucht hat. Von einem derartigen Untersuchungstermin ist dem Rechtsanwalt jedenfalls nichts bekannt. Nach dessen Auskunft hat die Ausländerbehörde sich allerdings an das VG Münster gewandt und sich erkundigt, mit welcher Begründung der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt worden ist. Der Rechtsanwalt wurde als Verfahrensbevollmächtigter der Familie T. auch nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass Frau T. nach Auffassung des Kreises Steinfurt nunmehr als reisefähig eingestuft worden ist. Der Rechtsanwalt wurde morgens um 8 Uhr von der Abschiebung der Familie informiert. Als er gegen 8.30 Uhr seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt hatte, war es dafür bereits zu spät, der Vater saß mit den Kindern bereits im Flugzeug.


Trotz Folter Abschiebung

In einem dritten Fall geht es um die Abschiebung der Familie S. aus Unna. Nach Informationen des Flüchtlingsrats lebte die Familie S. seit Ende 1995 in Deutschland. Zu der Familie gehören zehn Kinder im Alter zwischen 2 und 21 Jahren. Herr und Frau S. sind beide in der Türkei auf schlimmste Weise gefoltert worden. Unter anderem gibt Herr S. an, von einem Felsen heruntergestoßen worden zu sein. Er habe den Sturz schwer verletzt überlebt, seine Kniescheibe und Wirbel seien dabei zerbrochen. Dem Flüchtlingsrat liegen ärztliche Bescheinigungen vor wie die des Evangelischen Krankenhauses Unna und der Neurochirurgischen Klinik der Städtischen Kliniken Dortmund, aus denen hervorgeht, dass Herr S. wegen seines Knies und des Rückens in ärztlicher Behandlung war. Herr S. wurde ärtzlich als »absolut haft- und reiseunfähig« erklärt.

Weiter hieß es in der dem Flüchtlingsrat vorliegenden ärztlichen Bescheinigung, dass er »dringend weiterer psychiatrischer Behandlung wegen der erhöhten Suizidgefährdung« bedürfe. Die Suizidgefährdung des Herrn S. habe sich in den letzten Wochen massiv verstärkt, weil bekannt wurde, dass der 42 jährige Bruder des Herrn S. in der Türkei am 16. Januar in Cizre erschossen worden ist. Hintergrund war laut einem Zeitungsbericht der Tageszeitung ›Politica‹, Ausgabe vom 11. Februar, offenbar, dass der Bruder des Herrn S. sich geweigert habe, für die türkischen Behörden beziehungsweise für das Militär gegen seine kurdischen Landsleute zu arbeiten.

Nach Angaben des Rechtsanwaltes der Familie hatte die Ausländerbehörde des Kreises Unna mit Schreiben vom 18. Oktober des vergangenen Jahres angekündigt, Abschiebungsmaßnahmen zu ergreifen, falls die Familie nicht bereit sei »freiwillig« auszureisen. Zugleich wurde jedoch mitgeteilt, dass hierfür die Vorführung beim türkischen Generalkonsulat beabsichtigt sei. Aufgrund der geltend gemachten psychischen Erkrankungen wies die Ausländerbehörde auf die Möglichkeit hin, einen Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen beim Bundesamt zu machen.