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Unmoralisches Angebot (10.08.2005)



In den vergangenen Wochen erklärten auch in Bielefeld Plakate den 1.August zum »Tag der deutschen Redefreiheit«. Einige Tage vor dem Termin wurde dann klar, dass das Ganze Werbung für einen neuen Tarif einer Telekommunikationsfirma sein soll. Mario A. Sarcletti nutzt jetzt seine Redefreiheit und äußert seine Meinung zu der Kampagne.


Die Werbekampagne von e-plus kotzt mich an. Sie ist in meinen Augen unmoralisch. Denn die Redefreiheit ist ein sehr hohes Gut. Vor nicht allzu langer Zeit gingen in diesem Land Menschen für sie ins Lager, ins Zuchthaus, ins Exil oder in den Tod. In vielen anderen Ländern ist das heute immer noch Realität. Und dann nutzen irgendwelche Werbeyuppies dieses Menschenrecht für eine dämliche Campaign, wie sie so etwas wohl nennen. Haben bei einem Meeting ein Brainstorming gemacht, also heiße Luft abgesondert. Verstehen die das unter Redefreiheit? »Freedom of Speech, hahaha, nochn Prosecco?«
Welches Menschenrecht wird wohl als nächstes für Werbung missbraucht? Das Recht auf körperliche Unversehrtheit? Das Recht auf Religionsfreiheit? Das Recht auf Leben?

Aber irgendwie passt die Kampagne in Zeiten wie diese. In Zeiten, in denen der ehemalige Landtagsabgeordnete Joachim Schulz-Tornau von den Liberalen Studiengebühren so rechtfertigt: In der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sei das Recht auf Bildung zwar verankert, es stünde aber nirgendwo, dass sie umsonst sein müsse. Meint Schulz-Tornau. In neoliberalen Zeiten wie diesen unterliegen auch die Menschenrechte der kapitalistischen Verwertungslogik. Und werden eben ver- und damit entwertet. Die Werbung passt schon und ist möglicherweise sogar erfolgreich. Mies ist sie trotzdem.

Dass die dämliche Kampagne von e-plus so auch von der NPD hätte kommen können, ist nur ein zusätzlicher Ekelfaktor. Die fordert ja auch immer eine »deutsche Redefreiheit«, weil »die Deutschen«, also die Neonazis und andere Rechte, durch die Political Correctness an der Relativierung und Leugnung der NS-Verbrechen gehindert werden. Der zweite Slogan von e-plus, »Was ist ein Volk wert, das nicht spricht«, würde den völkischen Herren da sicher auch ganz gut passen.

Insgesamt hat mich die Kampagne der Mobilfunker auf jeden Fall so angeekelt, dass ich mein Recht als Konsument nutze: Ich werde diesen Mobiltelefonvertragsdealer meiden. Außerdem nutze ich mein Recht auf Redefreiheit für einen Aufruf: Wer diese Kampagne aus den genannten Gründen auch mies findet, sollte wie ich eplus boykottieren und seinen Vertrag mit einem anderen Anbieter abschließen. Auch wenn bei dem ähnlich kreative Köpfe sitzen könnten. Aber die haben immerhin ein anderes Recht wahrgenommen und nicht so eine Kampagne gefahren: Das Recht zu schweigen.