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Schröder sozial (Teil 2)





Riesiges Interesse: Der Rathausplatz war randvoll


Der Reformkanzler brachte den Sozialstaat zugleich auf eine neue Formel: Leistungen des Staates da, wo der einzelne nichts mehr für sich tun kann. »Eigene Leistung und Verantwortung gehört genauso dazu«.

Die Reformen garantierten soziale Sicherheit nicht nur für heute, sondern auch für kommende Generationen. Schröder nannte dafür eine Bedingung: Die deutsche Wirtschaft müsse so stark gemacht werden, »wie es irgend geht«. »Wir müssen die Besten sein, um die billigsten sein zu müssen«. Ein Kampagnenspruch, den sich Schröder offenbar von der IG Metall abgeschaut hat, die mit dieser Formel – »Besser statt Billiger« – seit einiger Zeit erfolgreich Tarifpolitik betreibt.


Erststudium gebührenfrei

Ein weiteres Schrödersches Thema war Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. »Frauen sollen so leben können, wie sie wollen«, sagte er und stellte zugleich fest, dass es immer noch Frauen sind, die die Hauptlast der Arbeit tragen. Diese Gerechtigkeit mündete in eine konkrete Vorstellung von Chancengleichheit, die Schröder am Bildungsbereich festmachte. Auch der Zugang zum Bildungsbereich dürfe nicht vom Geldbeutel abhängen, »einzig von der Begabung«. Das Erststudium müsse der Staat finanzieren, zumindest die Zeit, in der solch ein Studium üblicherweise zu absolvieren sei. Was Schröder nicht sagte: Ein Zweitstudium ist damit nach den Vorstellungen der SPD kostenpflichtig, genauso wie lange Studienzeiten vom Studierenden zumindest anteilig selbst bezahlt werden sollen.

Schröder legte in Bielefeld einen überzeugenden Auftritt hin – ganz unabhängig von der Frage, was die SPD nach der Wahl von den wieder deutlich sozialeren Tönen umsetzen würde. In diese Verlegenheit wird die SPD nicht kommen – dies würde eine absolute Mehrheit und Alleinregierung voraussetzen. So konnte Schröder frei argumentieren – und Stimmen beim eher klassischen sozialdemokratischen Klientel sammeln, dass bisher eher frustriert war und zur Nichtwahl oder zur Abwanderung zur Linkspartei neigte. Schröder wahlkämpft, rhetorisch überzeugend mit klaren Aussagen, und wirkt keineswegs so, als ob er die Wahl schon verloren gegeben hat. Die große Masse des Publikums, in dem von der »Neuen Mitte« wenig zu sehen war, nahm es dankbar auf, sah es doch einen Kanzler, der ihnen und ihren Sorgen zumindest verbal wieder näher gekommen war.





In Siegerpose: Schröder nach seiner gelungenen Rede