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Wunsiedel nazifrei (Teil 2)





Freute sich über ein breites Bündnis gegen rechts: Martin Löwenberg, ehemaliger Widerstandskämpfer


Auch der Europaabgeordnete Tobias Pflüger freute sich zwar über das Urteil und sah in ihm einen Grund zu feiern, forderte aber zugleich zu Protesten in den kommenden Jahren gegen mögliche Naziaufmärsche auf. Auch er verwies darauf, dass rechtsextreme Gedanken auch in der so genannten Mitte der Gesellschaft beheimatet sind und belegte diese These mit Erfahrungen im europäischen Parlament. So hätte das Parlament eine Resolution zum 8.Mai verabschiedet, die die Sowjetunion auf eine Stufe mit dem NS-Regime gestellt habe, nur die Europäische Linke habe dem Text nicht zugestimmt.

Auch ein Vertreter der Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen«, die den Antifascist-Actionday koordiniert hatte, warnte davor, sich zu früh über die Entscheidung des Verfassungsgerichts zu freuen, »auch wenn unser Protest sicherlich zu der Entscheidung beigetragen hat«, wie er sagte. Sollte das Verbot auch im kommenden Jahr Bestand haben, würden sich die Nazis eben einen anderen Ort und einen anderen Anlass für eine Großdemonstration suchen. Zudem gehe es bei den Protesten nicht nur um Neonazis: »Wir demonstrieren hier und heute, weil es diese Gesellschaft zulässt, dass nationalsozialistisches Gedankengut weiterhin Verbreitung findet«, erklärte er. Zudem wiesen »viele Werte, Ideale und Forderungen im Deutschland des Jahres 2005 Berührungspunkte zur nationalsozialistischen Ideologie« auf.


Rechtsextreme Mitte

Berührungspunkte zwischen Rechtsextremen und der Mitte der Gesellschaft thematisierte auch der ehemalige Widerstandskämpfer und KZ-Häftling Martin Löwenberg. Er erinnerte daran, dass nach der Wiederbewaffnung der BRD ehemalige Wehrmachtsoffiziere Pläne für den Angriff auf die Sowjetunion erstellten und auch heute allerlei Schnittstellen zwischen Rechtextremen und den etablierten Parteien existierten. »Ihre Schlagringe sind Unterschriftenlisten und ihre Baseballschläger rassistische Reden«, sagte Löwenberg.

Er verlieh dennoch seiner Freude Ausdruck, dass an diesem Tag ein so breites Bündnis gegen Rechts auf die Beine gestellt wurde. »Lassen sie uns nicht unterscheiden in gute und böse Antifaschisten, in solche die gerne dunkle und solche die andere Kleidung tragen«, sagte er unter dem Applaus der meist schwarz Gekleideten, die hier seine Rede hörten.

Konsequent war dann, dass Martin Löwenberg sich auch an der Demonstration des Bündnisses »Wunsiedel ist bunt nicht braun« beteiligte. Etwa 500 Menschen zogen hinter Minister Manfred Stolpe, SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Bennetter und anderen Politikern wie dem bayrischen Gesundheitsminister Werner Schnappauf und Landtagspräsidentin Barbara Stamm durch Wunsiedel. Zuvor hatten etwa 1700 Antifas von einem starken Polizeiaufgebot mit Hubschrauber bewacht eine Demonstration durch die Stadt veranstaltet, bevor einige von ihnen nach Nürnberg aufbrachen, wo die NPD eine Ersatzveranstaltung für Wunsiedel durchführte.

Bei der Kundgebung des Bündnisses zeigte sich dann, dass die Koalition der Menschen mit den verschiedenen Kleidungsvorlieben doch recht fragil ist: Als Joachim Gauck, ehemaliger Beauftragter für die Stasiunterlagen, wiederholt von »unserem schönen Deutschland« sprach, schallten ihm »Nie wieder Deutschland« Sprechchöre entgegen. Bürgermeister Beck, erwähnte in seiner Rede - abweichend vom Manuskript – neben den in den braunen Sumpf Abgedrifteten auch die nach links Abgedrifteten, die wieder die richtige Basis finden müssten. Manfred Stolpe wiederum bekam als Vertreter der Bundesregierung zu hören: »Nazis morden der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack«. Als ein Grußwort von Innenminister Otto Schily verlesen wurde, machten Antifas ihrer Wut darüber lautstark Luft, heftige Diskussionen mit Ordnern der »Bürgerlichen« waren die Folge.