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Wunsiedel nazifrei (24.08.2005)







Der alljährliche Neonazi-Aufmarsch in Wunsiedel, dem Ort, an dem Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß begraben ist, wurde in diesem Jahr verboten. Ein breites Spektrum feierte das am vergangenen Samstag als Erfolg. Es gab eine Meile der Demokratie mit Vertretern aller Parteien und eine größere Demonstration von Antifaschistinnen und Antifaschisten, an der sich auch etwa sechzig Personen aus Ostwestfalen beteiligten.

Von Mario A. Sarcletti

Den ersten Erfolg konnten die Antifaschistinnen und Antifaschisten aus OWL schon feiern, bevor sie die fränkische Kleinstadt Wunsiedel erreicht hatten: Sie passierten eine Polizeikontrolle, ohne wie gefordert die Personalausweise auszuhändigen, nur der Bus wurde durchsucht. Die Insassen anderer Busse hingegen wurden einzeln durchsucht, zum Teil wurden ihre Daten abgefragt. Nach Angaben der Polizei wurden bei der Vorkontrolle auch dreißig Neonazis entdeckt, die Fahrt nach Wunsiedel wurde ihnen verwehrt.

So blieb die Stadt erstmals seit Jahren am 20. August weitgehend »nazifrei«. Mitverantwortlich dafür waren Urteile des Verwaltungsgerichts Bayreuth und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, die den Naziaufmarsch untersagten. Grundlage der Urteile war der anlässlich der zum 8.Mai angekündigten Demonstrationen von Rechtsextremen neu geschaffene Absatz des Volksverhetzungsparagraphen, nach dem sich strafbar macht, wer »in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt«. Das Bundesverfassungsgericht lehnte schließlich einen Antrag auf einstweilige Anordnung des Anmelders der jährlichen Aufmärsche, Jürgen Rieger, ab.

Auf die Urteile ging eine Vertreterin des »Arbeitskreises Kritischer JuristInnen« aus Kiel in einem Redebeitrag beim Antifascist-Actionday in Wunsiedel ein. Sie betonte, dass das Verfassungsgericht nicht über die Rechtmäßigkeit des Verbots entschieden hat und verwies darauf, dass das Gericht bisher auch rechtsradikale Meinungen unter die vom Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit einordnete. Der neue Volksverhetzungsparagraph stelle aber auch eine faschistische Meinung unter Strafe. Ob das Bundesverfassungsgericht hier dem Gesetzgeber folgt, muss ein Hauptsacheverfahren klären.

Die Sprecherin der kritischen Juriosten bezweifelte aber, dass dieser bei der Gesetzesänderung von antifaschistischer Überzeugung getrieben wurde. Vielmehr sei es eher um die Verhinderung öffentlichkeitswirksamer Fernsehbilder und den Schutz von Deutschlands Ansehen in der Welt gegangen. Die Kieler Juristin äußerte auch ihre Befürchtung, dass die Einschränkung des Demonstrationsrechts bei Bedarf auch schnell gegen links angewandt werden könnte. Als Beleg zitierte sie den CDU-Bundestagsabgeordneten Strobl: »Er forderte Einschränkungen des Demonstrationsrechts nicht nur für Neonazis, sondern auch für »grölende und prügelnde Banden von linken und autonomen Schlägern.«

Die Antifa forderte sie auf, sich im Kampf gegen Neonazis nicht auf den Staat zu verlassen. »Deswegen müssen wir auch und gerade nach dem Verbot des Hess-Marsches 2005 für das Jahr 2006 nach Wunsiedel mobilisieren«, schloss sie ihre Rede.






Viel Prominenz führte die Demonstration in Wunsiedel an: Hier verdeckt von farbenfroher Körperkunst