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Zornige Hartz IV Gegnerin (31.08.2005)





Gillen spricht deutliche Worte: »Wer als Arbeitsloser auf sein Recht besteht wird ganz einfach ausgehungert«,



Gabriele Gillen rechnete am Dienstag im Haus der Kirche nicht nur mit Hartz IV ab. Die WDR-Journalistin, die in dem Gesetzespaket den massivsten Angriff auf die Schutz- und Bürgerrechte der Armen sieht, las nicht nur aus ihrem Buch »Hartz IV – Eine Abrechnung«, sondern plädierte auch für einen Systemwechsel.



Von Mario A. Sarcletti

Die üblichen Verdächtigen fanden sich zu einer Veranstaltung des Evangelischen Arbeitskreises für Sozialfragen am Dienstag im Haus der Kirche ein. Die Linkspartei war zahlreich vertreten, daneben Aktivisten von den Montagsdemos. Eigentlich schade, dass nicht mehr dem Thema nicht so Nahestehende die Veranstaltung besuchten. Denn die Lesung der WDR-Journalistin Gabriele Gillen, die sich selbst als zornige Gegnerin von Hartz IV bezeichnete, hätte auch vielen, die dem Sozialabbau und dem neoliberalen Trend eher unkritisch gegenüber stehen oder ihn befördern, wertvolle Denkanstöße geben können. Sozialpfarrer Eberhard eröffnete den Abend zu Recht mit der Ankündigung, dass »wir Dinge, die wir wissen, vermuten, neu kennen lernen können«. Der Pastor zitierte auch aus der Bibel. Denn die Losung des Tages der evangelischen Kirche lautete passend: »Weh denen, die unrechte Gesetze machen, um die Sache der Armen zu beugen und Gewalt zu üben an den Rechten der Elenden«. Denn Gesetze, genannt Hartz IV, die Gabriele Gillen als unrecht ansieht, waren ein Thema ihrer Ausführungen.

Gillen las entgegen der Ankündigung nicht nur aus ihrem Buch »Hartz IV –eine Abrechnung«, sondern präsentierte auch andere Texte, in denen sie sich mit dem Zustand der BRD im Jahr 2005 auseinandersetzt. Nach einer satirischen Passage aus ihrem Buch »Wir hatten die Wahl. Rückblicke auf unsere nächste Regierung« folgte ein Text, der sich mit dem »Hartz IV Kochbuch« auseinandersetzt. Das Buch wurde von der Bild-Zeitung mit der Zeile »Tasche leer – Magen voll« angekündigt.

In dem Text setzt sich Gabriele Gillen mit dem Alltag von Empfängern von Leistungen nach Hartz IV auseinander. »Für den Lebensmittelbedarf haben die Damen und Herren Beamten bei der Festlegung des Hartz IV Salärs 4,22 Euro pro Tag einkalkuliert, Wasser, Kaffee, Bier sind mit dem Lebensmittelbedarf auch gemeint«, erläuterte Gillen. »Das sind bei drei Mahlzeiten pro Tag 1,41 Euro pro Essen«, verdeutlichte sie den etwas knappen Rahmen.

In der Reportage zeigt Gillen, dass es auch ein bisschen weniger sein darf. So berichtet sie von einem der immer wieder kolportierten so genannten Gewinner der Reformen. Der frühere Sozialhilfeempfänger erhält mit dem ALG II tatsächlich 600 Euro mehr pro Jahr. Gleichzeitig wurden aber auch die Beihilfen gestrichen. Nachdem jüngst seine Waschmaschine den Geist aufgab, bekam er von der Agentur für Arbeit ein Darlehen. Die Raten werden nun von dem abgezogen, was er eigentlich für Essen zur Verfügung hat.

Und die Unterstützung kann auch ganz ausbleiben. Gabriele Gillen berichtet von einer Frau aus Leipzig, die sich nur deshalb etwas zu Essen kaufen konnte, weil sie sich bei Freunden Geld lieh. Denn die Agentur für Arbeit verweigerte die Zahlung, da die arbeitslose Mutter Widerspruch gegen ihren Leistungsbescheid eingelegt hatte. »Wer als Arbeitsloser auf sein Recht besteht wird ganz einfach ausgehungert«, formuliert Gillen ihre Sicht auf Deutschland 2005.