Webwecker Bielefeld: spuren02

Fast vollständig ausgelöscht (Teil 2)





Das Haus des jüdischen Arztes Mosberg an der Alfred-Bozi Straße, der von den Nazis ermordet wurde




Spätestens nach der Pogromnacht im November 1938 erkannte die jüdische Bevölkerung auch in Bielefeld den Vernichtungswillen der Nationalsozialisten. Jugendliche wurden nach England geschickt, wer konnte, emigrierte ins benachbarte Ausland. Für viele eine tödliche Falle: Nachdem Deutschland diese Länder überfallen hatte, wurden die Emigranten auch von dort in die Vernichtungslager transportiert. Die USA war nur für diejenigen ein Ziel der Flucht, die einen Bürgen vorweisen konnten, der fünf Jahre lang für ihren Unterhalt sorgen konnte. »Shanghai war der einzige Staat der Welt, der unbegrenzt Juden aufnahm«, erklärt Dorothee Meyer zu Bentrup, warum auffällig viele dorthin emigierten. »Aber attraktiv war das nicht«, beschreibt sie die Haltung vieler Juden in Ostwestfalen.


»Judentor« für Juden und Vieh

An der Deutschen Bank erläutert die wie sie sagt »engagierte Christin« die Entwicklung der Stellung der Juden seit dem Mittelalter. Da sie weder Bauern noch Handwerker sein durften, verlegten sie sich auf den Handel. Und da Christen keine Geldgeschäfte machen durften, auf das Bankwesen. »Auch in Bielefeld gab es im 19. Jahrhundert jüdische Bankhäuser. Als diese immer größer wurden, schlossen sie sich zur Deutschen Bank zusammen«, erläutert Meyer zu Bentrup, warum sie vor einer Filiale des Geldinstituts die Geschichte der Juden in Europa erzählt, die auch eine Geschichte der Diskriminierung war. »Juden konnten im Mittelalter in einer Stadt nicht Bürger sein, sondern nur gegen Bezahlung ein begrenztes Aufenthaltsrecht erlangen«, weiß sie. Selbst Ende des 18. Jahrhunderts habe der Philosoph Moses Mendelssohn Berlin nur durch das »Judentor« betreten dürfen, das für Juden und Vieh vorgesehen war.

Anschließend führt die Suche nach Spuren jüdischen Lebens in Bielefeld zum Kesselbrink. Dort lag die Gaststätte Kyffhäuser, eine der Sammelstellen, an denen sich die Menschen ein bis drei Tage vor der Deportation einfinden mussten. Dorothee Meyer zu Bentrup berichtet dort von der »schleichenden Ausgrenzung« der jüdischen Bevölkerung Bielefelds im Dritten Reich. Bereits 1935 gab es ein Gesetz gegen sexuellen Kontakt von »Juden« und »Deutschen«. 1939 folgte ein Gesetz, das die »Mietverhältnisse mit Juden« regelt, sprich Nichtjuden Mietverträge mit Mietern jüdischen Glaubens verbot. »Der Oberbürgermeister schrieb die Hausbesitzer an«, erinnert Meyer zu Bentrup an die Mithilfe der Verwaltung bei der Umsetzung dieses Gesetzes. In Bielefeld gab es nach ihren Angaben 16 »Judenhäuser«, in denen die Verbliebenen zusammengepfercht wurden.

Dorothee Meyer zu Bentrup beschreibt am Kesselbrink auch, wie akribisch die Deportationen geplant wurden. »Nach deutschem Muster musste der Besitz dieser Menschen minutiös aufgeführt werden«, sagt sie. Die Wohnung der Deportierten wurde versiegelt, später sortierten zwei Finanzbeamte den Besitz. Wertvolles sei nach Berlin gegangen, Gebrauchsgegenstände wurden öffentlich versteigert. »Da sieht man auch, wie das totalitäre System in die ganze Gesellschaft hineingewirkt hat«, findet Meyer zu Bentrup.

Ein Teilnehmer der Führung, Jahrgang 1938, pflichtet ihr bei. Seinen Eltern hätten ihm berichtet, dass die Deportierten Klappspaten dabei gehabt hätten. »Die haben gewusst, dass die damit ihre eigene Grube graben mussten«, berichtet er. »Aber meine Eltern haben gesagt, wir konnten nichts machen«, plädiert er gegen die These, dass die Bielefelder »nichts gewusst hätten«.