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Längerer Atem gefragt (Teil 3)



Die Kritik der CDU/CSU, die ja Hartz IV mit verabschiedet hat, ist, die Reform sei wirkungslos, weil es keine Arbeitsplätze gebe. Man müsse erst den ersten Arbeitsmarkt ankurbeln, dann könne man über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nachdenken.

Das ist eine Binsenwahrheit, dass arbeitsmarktpolitische Instrumente in Zeiten fehlenden Wirtschaftswachstums nur geringe Erfolge haben. Allerdings daraus den Schluss zu ziehen, wir machen erst Wirtschaftswachstum und irgendwann später Arbeitsmarktreformen, ist unsinnig. Um die Jahrtausendwende hat es ein relativ hohes Wirtschaftswachstum gegeben. Es hat aber auf Grund der relativ hohen Beschäftigungsschwelle nicht zu neuen Arbeitsplätzen geführt. Die Rahmenbedingungen für Wachstum müssen verbessert werden, deswegen haben wir Steuerreformen gemacht. Aber parallel müssen wir die Arbeitsmarktinstrumente flexibilisieren und effektiver machen.


Kann es denn immer darum gehen, den Faktor Arbeit billiger zu machen?

Man darf den Faktor Arbeit nicht ausblenden. Aber es ist extrem verkürzt hier den entscheidenden Punkt zu sehen. Wenn man beispielsweise die Lohnstückkosten sieht, also die Produktivität mit berücksichtigt, dann sind wir bereits jetzt besser als die Länder in unserem Umfeld. Am Ende werden wir ohnehin nicht mit Polen und Moldawien bei den Kosten konkurrieren können. Da kann es nur über Qualität gehen – über Qualität bei den Produkten, aber auch über Qualität bei den Fertigungstechniken. Das ist ein Punkt, der uns deutlich von der CDU unterscheidet. Wir glauben eben nicht, dass es in erster Linie über die Kosten geht. Ein weiterer Unterschied: Wir glauben, dass die Binnennachfrage wichtig ist. Wir machen den Gewerkschaften Mut, in den Branchen, wo die Gewinne gut sind, auch für entsprechende Lohnzuwächse zu kämpfen.


Ein recht neuer Ton, der jahrelang nicht von der SPD zu hören war. Kann man die SPD verorten zwischen den keynesianischen Vorstellungen der Linkspartei und marktradikalen Vorstellungen der CDU?

Für mich ist die Linkspartei nicht keynesianisch. Es ist nicht keynesianisch, die Steuern so erhöhen, so dass die Leute ihr Geld in einem anderen Land versteuern. Richtig ist allerdings, dass wir zwischen einem Neoliberalismus stehen, der die Herausforderungen unserer Zeit missbraucht, um den Sozialstaat abzubauen, und einer Linkspartei, die nicht erkennt, dass es Herausforderungen gibt, die man mit grundlegenden Reformen angehen muss. Dazwischen gibt es eine SPD, die mit der Agenda 2010 die Herausforderungen angenommen hat, sie aber gleichzeitig nicht missbraucht.


Aber die SPD bewegt sich auf einem dünnen Seil. Die SPD selbst hat 1999 zunächst den Kündigungsschutz auf Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeitern festgelegt, 2004 ihn aber auf Betriebe mit mehr als zehn Arbeitnehmern ausgeweitet. Nun steht auf ihren Wahlkampfplakaten: Der Kündigungsschutz soll erhalten bleiben, auch in Abgrenzung zur CDU, nach deren Vorstellungen ein Kündigungsschutz erst bei Betrieben ab 20 Beschäftigten greifen soll.

Wir bewegen uns tatsächlich auf einem schmalen Grat, da kann man sich auch mal verhauen – mal zur einen, mal zur anderen Seite hin. Die Union hat als zentrale Forderung, dass man sich bei Arbeitsaufnahme entscheiden soll, ob man Kündigungsschutz haben will oder die Option auf eine Abfindung. In dieser Situation würde derjenige, der angestellt werden will, vieles tun, um den Arbeitsplatz zu kriegen. Er hat nicht wirklich eine Wahlmöglichkeit. Deswegen muss der Kündigungsschutz grundsätzlich bleiben. Ob man ihn bei fünf oder zehn Arbeitnehmern ansetzt, darüber kann man lange diskutieren. Wenn man die Grenze bei 20 ansetzt, hat man etwa 80 Prozent aller Betriebe ohne Kündigungsschutz. Das wollen wir nicht.