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Neues Betreuungsrecht bringt Verschlechterungen (Teil 2)





So setzen sich die Betreuer zusammen: Der größte Teil wird ehrenamtlich, meist aus der Familie heraus, geleistet



Das Betreuungsrecht ist 1992 in Kraft getreten und löste das alte Vormundschaftsrecht ab. Die Reform galt damals als Jahrhundertreform, gehalten hat sie allerdings nicht lange. Die Änderungen der Reform in diesem Sommer sind bereits die zweiten nach 1999. Dabei wurden an das Betreuungsrecht Anfang der 1990er Jahre große Erwartungen geknüpft. Die Zeiten, in denen Rechtsanwälte 200 und mehr alte, psychisch kranke oder körperlich behinderte Menschen als »Fälle« verwalteten, ohne sie auch überhaupt nur einmal gesehen zu haben, sollten der Vergangenheit angehören. Die Entmündigung, das Verwahren dieser Menschen unter unwürdigen Bedingungen: Dies sollte mit der Reform aus dem Jahr 1992 ein Ende haben.

Das Betreuungsrecht von 1992 ermöglicht den Betroffenen mehr Selbstbestimmung – dies ist im Grundsatz auch nach den Änderungen in diesem Sommer so geblieben. So werden Betreuungen nicht pauschal für alles vereinbart, sondern für spezifische Aufgabenkreise, und nur für eine bestimmte Zeit. Wille und Wohl des Betroffenen – so sagt das Gesetz – sind die Grundlage jeder Betreuung. Eingerichtet werden die Betreuungen durch Vormundschaftsrichter, die laut Gesetz die Betroffenen persönlich kennengelernt haben müssen, bevor ein Betreuer bestellt wird, und die auf Basis eines psychologischen und medizinischen Sachverständigengutachtens entscheiden. Sie bestellen auch den Betreuer.


Rechtspfleger können über Betreuung entscheiden

Nach der Änderung des Gesetzes können nun auch Rechtspfleger, also Angestellte der Justiz, darüber entscheiden, wer Betreuer wird – wenn die Landesregierungen eine entsprechende Rechtsverordnung festlegen. Es ist Aufgabe der Vormundschaftsrichter, die bestehenden Betreuungen zu kontrollieren. Alle fünf Jahre wird geprüft, ob die Betreuung überhaupt noch nötig ist. Nach der Gesetzesänderung im Juli wurde die maximale Frist allerdings auf sieben Jahre ausgeweitet.

9.000 Berufsbetreuer gibt es inzwischen Deutschland. Als Berufs-Betreuer gilt, wer wenigstens zehn Betreuungen führt oder 20 Stunden für Betreuungsarbeit aufwendet. In der Praxis kommen Berufsbetreuer aus nahezu allen Berufen, vorwiegend jedoch aus sozialen und juristischen Berufsgruppen. Viele von ihnen sind Freiberufler, die sich kleine Büros oder Bürogemeinschaften eingerichtet haben. Eine eigenständige bundesweit anerkannte Ausbildung gibt es nicht. Ihnen zur Seite gestellt sind rund eine Million Menschen, für die eine Betreuung eingerichtet ist, rund ein Prozent der Bevölkerung. Doch nicht alle von ihnen werden durch Professionelle betreut. Die Betreuungsperson ist meistens ein Verwandter, der dann eine geringe Aufwandsentschädigung vom Staat erhält. Auch liege der tatsächliche Bedarf höher: Der Bundesverband für Berufsbetreuer geht von 1,7 Millionen Menschen aus, die einer rechtlichen Betreuung bedürfen.

Betreuungen kosten: Der Staatshaushalt wurde vermittelt über die Haushalte der zuständigen Landesjustiz-Ministerien im Jahr 2003 mit 395 Millionen Euro belastet. Damit fallen im Schnitt 359 Euro pro Betreuung an. Betreute, die entsprechende finanzielle Mittel haben, müssen die Vergütung und die Auslagen des Betreuers aus ihrem eigenen Vermögen zahlen. Insgesamt sind die Ausgaben für Betreuungen im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen – allerdings nur absolut. Auf die Zahl der Betreuten umgerechnet, sinken die Ausgaben. 1992 noch wurden bundesweit eine halbe Million Menschen betreut, die Zahl hat sich bis in die Gegenwart verdoppelt.