Webwecker Bielefeld: wohnungswechsel

Ausgemessen ist nicht gleich angemessen (26.10.2005)





Demonstration vor Arbeitplus: Betroffene legten symbolisch ihre Kartons ab



Von Manfred Horn

Am vergangenen Donnerstag demonstrierten rund fünfzig Menschen mit einem »Umzug wegen der Zwangsumzüge wegen Alg-II« vor dem Sitz der Bielefelder Arbeitsgemeinschaft aus Stadt und Agentur für Arbeit. Vor den Gebäude von ›Arbeitplus‹ an der Niedernstraße stapelten sie Umzugkartons. Die waren zwar leer, aber beschriftet: »Verlust eines Stücks Heimat« oder »Rausschmiss der Seele« war auf ihnen zu lesen.

Eingeladen zu der Demonstration hatte der ›Arbeitskreis Soziale Verantwortung‹, der immer häufiger von Beratungsuchenden erfährt, dass Menschen in Bielefeld aufgefordert werden, sich eine andere, billigere Wohnung zu suchen, weil ihre Wohnung »unangemessen« teuer sei. Der Arbeitskreis, in dem die Sozialberatung ›Widerspruch‹, die Arbeitslosenberatung der GAB ›Perspektive für Arbeitslose‹ und das Sozialpfarramt zusammenarbeiten, organisierte auch eine Podiumsdiskussion am Dienstag Abend zu dem gleichen Thema.

Denn die Einführung des Arbeitslosengeldes-II (Alg-II) bedeutete auch, dass nur noch »angemessener« Wohnraum für die Bezieher finanziert wird. Als Richtwert gelten 4,64 Euro Kaltmiete, allerdings gelten einige Ausnahmetatbestände. So können Bezieher der ehemaligen Arbeitslosenhilfe eine Maximalkaltmiete von 6,95 Euro ausgeben. Dies gilt allerdings nur bis Ende 2005 als Übergangsregelung. Der Rat der Stadt hat noch darüber befunden, ob diese Regelung in 2006 verlängert wird.

Wer in »Wohnungsnotfall« ist, bekommt statt 4,64 Euro immerhin 5,09 Euro zugestanden. Hierzu zählen besondere Personengruppen wie von Obdachlosigkeit bedrohte Personen, Behinderte oder auch Frauen, die aus dem Frauenhaus ausziehen. Sie erhalten wie alle anderen auch zusätzlich die Neben- und die Heizkosten, zusammen bis maximal 2,33 Euro pro Quadratmeter.

»Mit Fingerspitzengefühl«

Grundlage für die »angemessene« Erstattung der Mietkosten ist der Paragraph 22, Absatz 5, des seit 1. Januar in Kraft getretenen Sozialgesetzbuchs II. »Wir setzen das in Bielefeld mit Fingerspitzengefühl um«, ist sich indes Jochen Hanke, einer von drei Geschäftsführern von Arbeitplus, sicher. So würden diejenigen, die erkennbar nur kurzzeitig Alg-II beziehen, erst gar nicht zum Wohungswechsel aufgefordert. Einerseits hat Hanke einen typischen Verwaltungsjob: Umsetzen, was gesetzlich festgelegt wurde. Andererseits hat der Gesetzgeber Spielraum gelassen. So ist es den Kommunen überlassen, die Höhe »angemessener« Mietkosten selbst zu definieren.

»Wir wollen in Bielefeld Arbeit vermitteln und nicht neue Wohnungen«, zitiert Hanke die vorherrschende Stimmung im Sozial- und Gesundheitsausschuss der Stadt. Und tatsächlich, im bundesweiten Vergleich steht Bielefeld relativ gut da. Aber relativ gut heißt in diesem Fall nur, dass die Situation in anderen Städten noch katastrophaler ist. Dort werden noch niedrigere Höchstsätze für die Miete gezahlt, steht weniger günstiger Wohnraum zur Verfügung, gibt es Richtlinien, die keine Ausnahmen zulassen. »Wir bemühen uns um einheitliches Vorgehen, das aber auch den Einzelfall berücksichtigt«, beschreibt Hanke die schwierige Situation.

Denn die Stadt ist pleite, allzu großzügig wird sie auch künftig nicht mit den Alg-II-Empfängern verfahren. Sollte dann noch der Bund, wie angekündigt, seinen rund 30-prozentigen Zuschuss an die Kommunen in Sachen Mietkosten streichen oder kürzen, wird der finanzielle Spielraum noch enger (WebWecker berichtete).