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Rechtmäßigkeit des Kessels weiter ungeklärt (18.01.2006)



Der ›Bielefelder Kessel‹, bei dem am 25. April 1998 ein Polizeiaufgebot circa 300 Demonstranten stundenlang einkesselte und anschließend rund 100 festnahm, könnte in die Bielefelder Justizgeschichte eingehen. Denn noch immer ist ein offenes Verfahren zu dem Kessel vor dem Amtsgericht anhängig – und ein Ende nicht abzusehen.


Von Manfred Horn

Die Demonstration vor nun fast acht Jahren stand unter dem Motto ›Reclaim the street‹. Die bunte Demonstration war mehr eine rollende Party mit politischem Inhalt, die auf der Siegfriedstraße neben dem Siegfriedplatz von der Polizei gestoppt und festgesetzt wurde. Initiiert wurde die Demonstration damals vom »Anti A-33-Hüttendorf«, das am 25. April sein fünfjähriges Bestehen feierte.

Die Situation vor Ort war dann schnell festgefahren. Mehrere Demonstrationsteilnehmer ketteten sich an Betonfässern an. Die Polizei versprach zunächst freien Abzug, verhaftete aber trotzdem. Ab 18 Uhr kam niemand mehr in den Kessel rein oder raus. Erst am späten Abend rief dann der Polizeieinsatzleiter einen Richter beim Amtsgericht an, der das Vorgehen der Polizei legitimierte.

Die Festgenommenen verbrachten die Nacht in diversen Gefängnissen in Ostwestfalen. Betroffene warfen der Polizei anschließend vor, sie seien unwürdig behandelt worden. So habe es für einige 15 Stunden lang kein Trinkwasser gegeben, einige hätten Wasser aus Hundenäpfen bekommen. Das Recht, vom Gefängnis aus Personen des Vertrauens zu benachrichtigen, sei nahezu allen verweigert worden. Viele wurden auch nicht erst um 8 Uhr morgens des Folgetages, wie der Richter bestimmt hatte, sondern Stunden später freigelassen.

Aktuell geht es vor dem Bielefelder Amtsgericht darum, dass drei der Festgenommenen gegen die Festnahmen an sich und gegen die Behandlung während der Festnahme prozessieren. Das Verwaltungsgericht Minden hatte eine Klage gegen die Versammlungslösung vor drei Jahren abgeschlagen. Der Streitwert wurde seitens des Gerichts so hoch angesetzt, dass die Klagenden damals rund 6.000 Euro zahlen mussten.

Wie der Prozess vor dem Amtsgericht ausgehen wird, ist völlig offen. Lange Jahre unternahm das Amtsgericht nichts, offenbar weil derartige Prozesse vor Amtsgerichten sehr selten sind und nicht zur üblichen Praxis solcher Gerichte gehören. Sie befassen sich eigentlich mit Straf- und Bußgeldsachen sowie mit zivil- und familienrechtlichen Streitigkeiten. Vor Jahren aber hatte sich das Verwaltungsgericht Minden in diesem Fall für nicht zuständig erklärt und die Angelegenheit an das Amtsgericht überwiesen. Sebastian Nickel, Anwalt der Klagenden, spricht zudem von einem Zwang zur Überprüfung entsprechend der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts.


»Wie auch immer an meine Telefonnummer geraten«

Im Oktober 2005 kam dann mit einer Anhörung vor Gericht etwas Bewegung in die Angelegenheit, die zuständige Richterin entschied aber nichts. Nun liegt den Klagenden ein Schreiben von Jürgen Grotevent, Richter am Amtsgericht vor. Er war es, der damals telefonisch sein Einverständnis mit dem polizeilichen Vorgehen gab. Denn wenn Personen, um Straftaten abzuwenden präventiv in Haft genommen werden, muss ein Richter zustimmen. In der Stellungnahme Grotevents bestätigt dieser den Anruf der Polizei vor knapp acht Jahren, auch wenn der den Monat nicht mehr genau erinnert: »An einem Sonnabend im Mai 1998 bin ich am späten Abend zwischen 22 und 23 Uhr während der Vorbereitungen für meinen am frühen Sonntagmorgen geplanten Start in den am Montag offiziell beginnenden Jahresurlaub von einem Einsatzleiter der Polizei angerufen worden der – wie auch immer – an meine Telefonnummer geraten war«. Die Frage nach der Zuständigkeit bejahte er.