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»Ein Mensch, eine Stimme« (11.01.2006)





Wer ißt, muss auch spülen, oder zumindest fragen, ob er sein schmutziges Geschirr einfach abstellen darf



Von Manfred Horn

»Es kann gut sein, dass jemand das Fleisch gleich vom Tisch schmeißt«, sagt Sabine Steldinger. In der Cafete des Oberstufenkollegs liegen, eingeschweißt in Plastikfolie, sechs Hackfleischbällchen. Jemand hat sie dort als Zutat für sein ganz eigenes Mittagessen abgelegt. Eigentlich gibt es beim Jugendumweltkongress (Jukss), der vom 25. Dezember bis 7. Januar im Bielefelder Oberstufenkolleg stattfand, veganes Essen. Das aus Holland stammende Kochkollektiv Rampenplan – zu deutsch »Katastrophenschutzplan« – ist seit den 1980ern bei Demonstrationen und Camps mit dabei. Das Kollektiv kocht vegan, abseits davon steht ein »Milchtisch« für die Vegetarier. Geld erhält Rampenplan keines, alles – wie an diesem Mittag eine winterliche Linsensuppe – wird zum Selbstkostenpreis abgegeben. Wer unbedingt Fleisch essen will, muss sich selber was zusammenbrutzeln, und kann damit rechnen, das seine Tischnachbarn nicht gerade erfreut reagieren.

Der Jukss machte für zwei Wochen das Oberstufenkolleg zu einem Zentrum sprudelnder Ideen. 5.000 Euro verlangte die Universität, zu der das Oberstufenkolleg gehört, für die Räume. Für den Jukss viel Geld. Es wäre allerdings noch teuer geworden, wäre der AStA der Universität nicht Mitveranstalter. Er bekommt nämlich günstigere Konditionen.

Seit gut zehn Jahren geht das schon so: Im Winter findet an irgendeinem Ort in der Bundesrepublik dieser Kongress statt. Im vergangenen Jahr war der Jukss in Magdeburg . »Beim nächsten Mal sind wir vielleicht in Thüringen, da waren wir nämlich noch nicht«, sagt Sven Cronenberg, Teilnehmer und wie Steldinger Teil der Pressegruppe. Der Jugendumweltkongress ist aus den Bundeskongressen der Naturschutzjugend und der BUNDjugend hervorgegangen. Seit 1999 wird der Jukss von einer offenen Vorbereitungsgruppe mit Menschen aus unterschiedlichen politischen Zusammenhängen organisiert und von einem gemeinnützigen Trägerverein ausgerichtet. Die Vorbereitungsgruppe löst sich pünktlich zum Eröffnungstag des Jukss auf, fortan koordinieren alle Teilnehmer zusammen den zweiwöchigen Kongress. Für die einzelnen praktischen Bereiche wie Computerpool, Klozeitung und Finanzen bilden sich sogenannte »Mitmachgruppen«.


Kommunikationsherz Infowand

Kommunikations-Herzstücke sind neben der Klozeitung die Cafete und die Infowände. Die Cafete ist wie eine große Küche mit Sprech- und Lesemöglichkeit. Hier laufen die Fäden und Münder zusammen. Auf den papiernen Infowänden im Flur steht nicht nur der aktuelle Finanzstand – es gibt keine feste Anmeldegebühr, jeder gibt soviel, wie er kann oder will – sondern auch die jeweiligen Angebote des Tages. Wer will, bietet ein Gespräch, eine Diskussion oder einen Workshop an.

Das Finanzbarometer befindet sich am Mittwoch, drei Tage vor Ende des Kongresses, tief im Minus: 2.000 Euro fehlen. Schon wird auf den Fluren laut über eine Soliparty nachgedacht. Ansonsten laufen an diesem Tag wie an jedem der zwei Wochen eine Vielzahl von Arbeitskreisen: Die Gruppe über gewaltfreie Kommunikation beginnt um 14 Uhr, um 17 Uhr folgt eine virtuelle Führung durch eine Ausstellung über das Atomendlager Morsleben. »15 bis 20 Arbeitskreise pro Tag finden statt«, berichtet Sabine Steldinger. Darunter eben nicht nur theoretische Seminare, sondern auch ganz praktische Gruppen, die gemeinsam Theater spielen und trommeln oder Jonglierbälle bauen.