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Bielefelds böse Orte (Teil 2)



Kühne berichtete auch, dass das heutige ›JZ Kamp‹ am Niedermühlenkamp früher ein Heim der Hitler-Jugend gewesen sei. Ihm sei nicht bekannt, dass es in dem Haus heute eine Gedenktafel oder ein Hinweis auf die Geschichte gebe. Dies ist aber typisch – viele Orte werden heute genutzt, ohne dass es Hinweise auf die NS-Zeit gibt. Dazu zählen auch die vielen Kasernen – Bielefeld war ab 1935 Garnisonsstadt. So war das riesige GAB-Gelände an der Meisenstraße früher Proviantstelle des Reichsheeres. Markant die heutigen Rochdale Baracks an der Oldentruper-Straße. An der Front zur Oldentruper-Straße hängen noch gut sichtbar drei in Stein gehauene Figuren am Gebäude, die aus der NS-Zeit stammen: Links ein Arbeiter mit Hammer, in der Mitte der Soldat und rechts der Bauer. Der Soldat steht nicht zufällig in der Mitte, galt er doch als die Instanz, die das ganze zusammenhielt.


Gestapo in der Waldwirtschaft

Die Geheimpolizei, die Gestapo, war zunächst in einem Gebäude untergebracht, dass heute nicht mehr steht. Dort ist – samt Gedenktafel – das Neue Rathaus errichtet worden. 1936 dann zog die Gestapo in den Siekerwall 8. Als dieser ausgebombt wurde, zog die Gestapo raus aus dem Zentrum, nämlich in die ›Waldwirtschaft Waterbör‹, noch heute ein beliebtes Ausflugslokal in der Senne zwischen Gadderbaum und Brackwede.

Kühne zählte noch etliche weitere Orte auf, so das Landgericht, in dem auch etliche Volksgerichtshof-Prozesse stattfanden, oder die Autobahn, die heutige A2, die 1936 im Bereich Bielefeld gebaut und anschließend mit großem Brimborium eingeweiht wurde. Kühne erwähnte auch die Orte, an denen Zwangsarbeiter festgehalten wurden oder jüdische Bürger gesammelt und deportiert wurden. Eine solche Sammelstelle war auch der Schloßhof, der heute eine große Gastronomie beherbergt. Der Gastronom, Andreas Stahlberg, habe vor einigen Jahren »ohne zu zögern« in den Entschädigungsfond für die Opfer des Nationalsozialismus eingezahlt, wie Kühne berichtet. Der Historiker berichtete auch von den Bunkern, die, mit »blauem Beton« gemacht, erst heute ihre Endfestigkeit erreichten – Monumente für die Ewigkeit. Die Bunker sind heute zum Teil umfunktioniert: So leben im Bunker am Kampfhof Obdachlose.

Kühne zählte die vielen Orte auf, die von den Nationalsozialisten gebraucht wurden, um zu feiern, zu fesseln und zu foltern. Und eben auch solche wie die Bunker, die gebaut wurden, um Schutz zu bieten in einem Krieg, der von den Nazis angezettelt wurde. So wurde der Vortrag zu einer Reise durch die Bielefelder Geschichte. Und viele der weit über 100 Zuhörer hatten sicherlich Neues erfahren über einen Ort in ihrer Nachbarschaft. Bliebe nur noch die Frage, wie mit solchen Orten umgegangen werden kann. Kühne jedenfalls hat schon bei ›Bielefeld Marketing‹ angeklopft und sein Interesse geäußert, eine Stadtführung zu den »bösen Orten« zu organisieren.





Die Klasse der Ludwig-Erhard-Schule in Paderborn erhielt den Preis für eine Ausstellung zu Zwangsarbeitern



Erster Preis wurde doppelt verliehen



Am Freitag Abend verlieh der ›Verein zur Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Wehrmacht‹ auch den Geschichtspreis 2005/2006. Der erste Preis – 350 Euro – wurde gleich für zwei Arbeiten verliehen. Zum einen ging er an Simon Schlimgen vom Bielefelder Hans Ehrenberg-Gymnasium. Seine Arbeit beschäftigt sich mit den letzten Kriegsmonaten in einem Nebenlager des Kriegsgefangenenlagers in Schloß Holte-Stukenbrock. Schlimgen, Schüler des 13. Jahrgangs, hat für seine Untersuchung Dokumente aus Bundeswehr-Archiven und aus dem Archiv der Dokumentationsstätte ›Stalag 326‹ ausgewertet, die bisher in der Zeitgeschichtsforschung unberücksichtigt geblieben sind. »Selbst ich, der ich mich von Berufs wegen mit dem Thema beschäftigte, habe aus der Arbeit einiges Neues gelernt«, erklärte Laudator Hans Walter Schmuhl, Professor für Geschichte an der Universität Bielefeld.