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Bielefelds böse Orte (01.02.2006)





Hans Jörg Kühne: Zeigte Orte, bei denen heute kaum noch jemand denkt, dass sie die Nationalsozialisten genutzt haben



Von Manfred Horn

Können Orte böse sein? Hans Jörg Kühne jedenfalls zeigte während seines Vortrags, den er am Freitag Abend in der Ravensberger Spinnerei in Anschluss an die Verleihung des Geschichtspreises hielt, solche in Bielefeld auf. Der Titel ist provokativ – und einem Buch entliehen, das vor einem Jahr im Claassen-Verlag erschien. In ihm beschreiben zehn Autoren zehn böse Orte, solche wie der Führerbunker, die ›Kraft durch Freude‹ Anlage auf Rügen oder den Obersalzberg bei Berchtesgarden. Einer der »bösen Orte« wird in diesem Jahr sogar im Mittelpunkt stehen: Das Berliner Olympiastadion bei der Fußball-WM.

Ist Deutschland ein Freilichtmuseum, vollgestellt mit Ausstellungsstücken des NS-Terrors? Haben sich die Orte gar mit einer bösen Aura aufgeladen? Lassen sich Gebäude umwidmen, also ihrem nationalsozialistischen Kontext entziehen? Kühne gab an diesem Abend keine eindeutigen Antworten. Klar aber ist, dass ein Gedenken an die Täter vermittels ihrer Gebäude etwas völlig anderes ist als das Gedenken an die Opfer oder Orte der Opfer. Wer an ehemals nationalsozialistischen Gebäuden Gedenktafeln anbringt, muss eben auch damit rechnen, dass es Menschen gibt, die den Ort dank des Hinweises entdecken und fasziniert sind – oder im schlimmsten Fall diesen Ort zu einer Kultstätte für den Nationalsozialismus machen.

Diese Gefahr besteht in Bielefeld allerdings weniger, weil die Nationalsozialisten hier keine großen Bauten realisierten – aus der NS-Zeit finden sich vor allem Zweckbauten. Eine geplante Prachtschneise, auf der dann kräftig aufmarschiert hätte werden können, kam zum Glück nicht zu Stande: Die Pläne allerdings gab es schon, eine solche Allee mit riesigen Plätzen zwischen dem Hauptbahnhof und dem Kesselbrink anzulegen.


Horst Wessel in Variationen

Kühne zählte einige Gebäude in Bielefeld auf, die die Nationalsozialisten erbauten oder für ihre Zwecke benutzen. Ziemlich bekannt ist dabei die Rudolf-Oetker-Halle, die mit Hakenkreuzen geschmückt für allerlei Feiern herhalten musste. Unbekannter schon der Horst Wessel-Stein, seitlich des Kammwegs auf dem Teutoburger Wald, in der Nähe des ›Eisernen Antons‹. Die Aussichtsplattform hat das 20. Jahrhundert überstanden, der mächtige Gedenkstein allerdings wurde 1945 entfernt. Horst Wessel wurde in der heutigen August-Bebel-Straße geboren, in einem Haus, das nicht mehr steht. Aus den Ruinen ist ein neues Haus entstanden, das heute die Hausnummer 37 trägt und in dem im Erdgeschoss ein Hifi-Geschäft geführt wird. Wessel wurde zu einer Kultfigur der Nazis, weil der SA-Sturmführer 1930 in Berlin von einem Kommunisten erschossen wurde. Nach 1933 dann machte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels einen Volkshelden aus ihm. Wessel hatte den Text zu einem Lied geschrieben, dieses wurde als Horst-Wessel-Lied die Parteihymne der NSDAP und praktisch zur zweiten Nationalhymne.

Da Wessel gebürtiger Bielefelder war, wollten die Nationalsozialisten vor Ort natürlich etwas von dem Ruhm abhaben. So gab es am Oberntorwall auch ein Horst-Wessel-Denkmal, dass aber bereits kläglich vor Kriegsende verschwand, wahrscheinlich für Kanonen eingeschmolzen. Es gab ein Horst-Wessel-Haus an der heutigen Alfred-Bozi-Straße. Und natürlich gab es eine Horst-Wessel-Straße – nämlich die heutige August-Bebel-Straße.