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Junge Erwachsene zu Kindern zurückstufen (Teil 2)



Zur Zeit ›verhätschelt‹ unser Staatgerade so eben noch die Generation der 30- bis 50jährigen, und das nicht einmal besonders gut, wenn ich etwa an unser Gesundheitssystem denke. Wer in diese Altersgruppe gelangen will, hat es zunächst mit einem – laut Pisa – ziemlichmiserablen Schulsystem und anschließend mit nicht ausreichenden Ausbildungsplätzen zu tun. Um an einer Universität zu studieren, muss man es sich demnächst leisten können. Bereits auf diesem Weg fallen zahlreiche junge Menschen aus dem Raster, zuvorderst die aus sozial-benachteiligten Familien und den Migrantengruppen. Und wer nach dem 50. Lebensjahr von Industrie und Wirtschaft ausgemustert wird, unterliegt nach einem Jahr einer stetig verschärften ALG-II-Gesetzgebung -– bis zur Zwangspensionierung. Da bis dahin aber weder etwas übrig geblieben ist, geschweige denn Altersversorgung weiter aufgebaut werden konnte, ist der nächste Schritt die Altersarmut, also wieder die›Grundsicherung‹.


Demnach werden Jüngere und Ältere gleichermaßen die Leidtragenden sein?

Die Zahl derer, die es – aus welchen Gründen auch immer – in die›produktive Phase‹ nicht mehr hineinschaffen oder gar nicht erst ›gebraucht‹ werden, wird ebenso stetig ansteigen wie die Zahl derer, die nicht mehr benötigt werden, sei es aufgrund von Produktivitätssteigerungen, Rationalisierungen oder Lohnkostendumping. Die »Entsorgung« – denn von ›Versorgung‹ kann man kaum noch sprechen – überlassen Industrie und Wirtschaft der Allgemeinheit, also dem Staat. Und hier schließt sich der Kreis: Der Staat entzieht sich bewusst mehr und mehr dieser zunehmend schwierigeren Aufgabe und überlässt die Menschen sich selber - mit unübersehbaren sozialen und gesellschaftspolitischen Folgen.

Ich halte eine solche Vorgehensweise, zumeist aus reiner Gewinnmaximierung heraus, auch für die Wirtschaft für fatal, um nicht zu sagen, für dumm. Das soziale Klima in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert. Damit entfallen aber nach und nach eine ganze Reihe so genannter weicher Standortbedingungen , die manch ein Unternehmen auch heute noch bewegen, sich in Deutschland anzusiedeln oder hier zu bleiben.


Bedeutet der Verlust des sozialen Friedens auch zunehmende Radikalisierung?

Aus Wut kann Widerstand werden, und der formiert sich derzeit auch im außerparlamentarischen Bereich. Unsere Aufgabe als Linksfraktion besteht darin, die außerparlamentarischen Proteste zu unterstützen und ihnen eine Stimme im Parlament zu geben. Wir wollen eine derart fatale soziale Schieflage in unserer Gesellschaft gar nicht erst aufkommen lassen.