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Bafög als jugendpolitische Maßnahme? (Teil 2)



»Bei mir waren zwar bis jetzt erst sechs Betroffene, aber das ist nur die berühmte Spitze des Eisbergs«, vermutet Thorsten Schröder. Eine aus dem unteren Teil des Eisbergs, die noch nicht bei ihm war, ist Petra K. Die 36-jährige Linguistikstudentin hatte als Teenagerin eine Ausbildung zur Arzthelferin gemacht, jahrelang in dem Beruf gearbeitet. »Ich habe mir gedacht, dass ich nicht meinen Eltern oder dem Staat auf der Tasche liegen will«, beschreibt sie ihre Motivation für die Berufstätigkeit. Vor einigen Jahren beschloss die Mutter einer 17-jährigen Tochter, dass sie sich beruflich neu orientieren wollte und machte auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur nach.


Als Petra K. sich an der Universität Bielefeld – wegen ihrer Tochter kam nur die hiesige Uni in Frage – für Linguistik einschreiben wollte, erfuhr sie, dass die Magisterstudiengänge gerade auf die konsekutiven Studiengänge umgestellt wurde. Dass die neue Studienstruktur sie benachteiligen könnte, daran dachte sie nicht im Traum. Schließlich bekam sie für den Bachelorstudiengang problemlos Ausbildungsförderung, da sie ihr Abi auf dem zweiten Bildungsweg gemacht hat, war auch ihr Alter kein Problem.


Selbst schuld?

Doch Mitte Februar kam für Petra K. das böse Erwachen. »Weil ich nebenher auch arbeite, musste ich mein Studium um ein Semester verlängern und habe beim BAföG-Amt angerufen«, erinnert sie sich. Ein Mitarbeiter überbrachte ihr die Hiobsbotschaft, dass sie im Master keine Förderung mehr bekommen kann. »Da ist für mich alles zusammengebrochen«, beschreibt sie ihre Gefühle in dem Moment. »Ich fühlte mich ausgequetscht, verraten und verkauft von der eigenen Solidargemeinschaft«, sagt sie. Ähnliche Gedanken hatte sie bereits im vergangenen Jahr. Da wurde sie ein Opfer der Einführung von Hartz IV. In dem Gesetzespaket waren alleinerziehende Studierende schlicht vergessen worden. (WebWecker berichtete). Mehrere Monate hatte sie damals für sich und ihre Tochter nur 280 Euro monatlich zur Verfügung. »Damals musste ich mir vom Amt auch noch einen Vorwurf machen lassen, dass ich mich ja selber in die missliche Lage gebracht habe, ich hätte ja mit meiner Ausbildung nicht studieren müssen«, erzählt sie.

Dass eine solche Einstellung auch hinter dem BAföG-Problem für über Dreißigjährige steckt, vermutet Thorsten Schröder. »Man muss sehen, dass wieder einmal genau die Studierenden aus den so genannten bildungsfernen Schichten betroffen sind, nämlich die Personen, die vielleicht ihr Abitur erst auf dem 2. Bildungsweg gemacht haben, die vor dem Studium eine Ausbildung gemacht und anschließend gearbeitet haben, die Leute, die keinen straighten Lebenslauf vorzuweisen haben«, ordnet er das Problem in die gegenwärtige bildungspolitische Diskussion ein.

Petra K. sucht jetzt andere Betroffene um sich gemeinsam zu wehren und hat eine Webseite zum Thema eingerichtet. »Wir haben von vielen erstaunte Reaktionen gekriegt, es wusste eigentlich keiner«, beschriebt sie die e-mails, die sie seither erreicht haben. Auch Christian Noske bestätigt, dass den meisten Betroffenen das Problem erst bei Beantragung des BAföGs für den Master bewusst wird. »Ich denke mal, dass sich viele Studierende im Vorfeld keine Gedanken darüber machen, ob ein Masterstudiengang, der drei Jahre später aufgenommen wird, förderungsfähig sein könnte«, äußert er ein gewisses Verständnis für die Unwissenheit der Studenten und fügt hinzu: »Vielleicht hoffen viele, wir im Übrigen auch, dass da noch einmal eine Regelung kommt, nach der Masterstudierende über eine Ausnahmeregelung gefördert werden könnten, aber im Moment sieht die gesetzliche Lage anders aus«.