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Cannabis Sünde sein? (05.04.2006)





Arbeiten nun zusammen: (v.l.n.r.) Piet Schuin (Drogenberatung), Harald K. Müller (Staatsanwaltschaft), Ursula Castrup (Fachstelle), Thomas Rosenthal (Zentrale Kriminalitätsbekämpfung der Polizei)


Von Manfred Horn

Cannabis Sünde sein? Haben Sie in den vergangenen Wochen schlecht geschlafen? Sind Sie zufrieden mit ihrem Leben? Fragen, die bei Drogengebrauch eine besondere Bedeutung bekommen können. Das Projekt ›Fred‹ – Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten – stellt sie jugendlichen Drogenkonsumenten in Form eines Selbsttests. Dieser Test ist aber nur ein kleiner Baustein des Fred-Konzepts, wie die ›Fachstelle für Suchtvorbeugung‹ in Kooperation mit der Polizei und Staatsanwaltschaft den Drogenkonsum angehen will.

Das Projekt richtet sich ausschließlich an Jugendliche, die als Konsumenten illegaler Drogen bei der Polizei zum ersten Mal auffallen. Künftig wird die Bielefelder Polizei den Auffälligen bei der Vernehmung auch den Fred-Flyer in die Hand drücken. Entscheiden sich die Jugendlichen nach einem kurzen »In-Take-Gespräch« für Fred, kommen sie in eine kleine Gruppe. Mit der gemeinsam nehmen sie an einem achtstündigen Kurs bei der Fachstelle für Suchtvorbeugung teil. Die Teilnahme bleibt anonym, auch die Polizei kontrolliert die Anwesenheit im Kurs nicht. »Die Leitidee ist: frühzeitig intervenieren auf der Basis von Freiwilligkeit. Die polizeiliche Erstauffälligkeit sollte allerdings genutzt werden«, erklärt Ursula Castrup, Mitarbeiterin der Fachstelle.

Denn Jugendliche sind von der Polizei offenbar beeindruckt. Dies lässt sich jedenfalls aus den Zahlen des Modellprojekts ablesen: Von 2000 bis 2002 lief Fred bereits in 15 Städten. 675 polizeiliche Erstkontakte im Zusammenhang von Drogengebrauch wurden da gezählt, davon lief es in 569 Fällen auf ein kurzes Gespräch mit einer Beratungsstelle hinaus. 446 der zwischen 14 bis 25-Jährigen nahmen schließlich an einem Fred-Kurs teil. Extrem hohe Zahlen, die auch die Bielefelder Fachstelle überzeugt haben. Am Modellprojekt nahm man noch nicht teil, nun – da Fred in immer mehr Städten eingeführt wird – steigt man auch in Bielefeld ein. Ein Jahr lang soll diese Form der Intervention erprobt werden, dann will man zu einer ersten Bewertung zusammenkommen. Dieter Thiede vom Kriminalkommissariat 22, das mit Drogendelikten beschäftigt ist, schätzt dabei jährlich zwischen 50 und 100 jugendliche Erstaufällige.


»Drogenkonsum ist strafbar«

Die Staatsanwaltschaft sitzt auch mit im Boot. Denn sie hat die schwierige Aufgabe, den Drogenkonsum juristisch zu würdigen. Eins stellt Harald K. Müller, Abteilungsleiter der Bielefelder Staatsanwaltschaft im Bereich Betäubungsmittel, allerdings klar: »Drogenkonsum ist strafbar«. In welchen Fällen die Staatsanwaltschaft dann ein Verfahren einstellt, steht auf einem anderen Blatt. Hier gibt es keine einheitliche Rechtssprechung – jedes Bundesland kocht hier eigene Auslegungssuppe. Vor dem Recht sind alle gleich, das gilt auch für diejenigen, die sich am Ende des Fred-Kurses eine Bescheinigung ausstellen lassen und diese der Staatsanwaltschaft vorlegen: »Dies hat eigentlich keinen Einfluss auf die Entscheidung. Es wäre ungerecht gegenüber denjenigen, die nicht am Kurs teilgenommen haben«, erklärt Müller.

Was die Staatsanwaltschaft aber auf jeden Fall machen will: Eine Entscheidung über eine Verurteilung oder eine Einstellung wird erst nach zwei Monaten getroffen. Damit will die Staatsanwaltschaft eine Demotivation verhindern. Denn wenn Jugendliche gerade an Fred teilnehmen und ihnen währenddessen eine Geldstrafe oder eine Einladung zu einem Gerichtstermin ins Haus flattert, könnte es leicht passieren, dass der Kurs abgebrochen wird.