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Glück bereitet Arbeit (19.04.2006)





Jenk und Manfred Lauermann spielen das Stück über den Weg zum Glück auf der Bühne des Theaters am Alten Markt. Hier stehen sie offenbar noch am Anfang.




In der vergangenen Woche diskutierten auf der Bühne des Theaters am Alten Markt Guillaume Paoli, einer der Erfinder des Konzeptes der »glücklichen Arbeitslosen« und Manfred Lauermann, Wirtschaftssoziologe aus Hannover, über den Mythos Arbeit. Es würde eine spannende Debatte, die durchaus zeigte, dass es ein Leben in der Arbeit und jenseits der Arbeit geben kann.


Von Manfred Horn

Kann ein Arbeitsloser glücklich sein? Ohne Zweifel. Doch gern gesehen wird das nicht von denen, die arbeiten. Auch dem Staat sind solche Lebenskünstler ein Dorn im Auge. Ein Mensch ohne Arbeit hat in Zeiten knapper Staatshaushalte gefälligst unglücklich zu sein. Er hat eine Jogginghose zu tragen und in Depressionen vor der Glotze zu hängen, um Arminias 0:1 gegen die Eintracht zu beweinen. Auf dem Amt soll er sich dann aber zusammennehmen, die Zähne auseinander kriegen und klar und deutlich artikulieren: »Ich glaube an die Kraft der Arbeit! Ich bin bereit jede anzunehmen, weil es mir dann besser geht«. Guillaume Paoli kennt die Macht des Diskurses um die Arbeit – und er versucht sich ihr zu entziehen. Nicht, indem er Arbeit neu definiert – dies wäre unklug. Sondern indem er sich einer Bestimmung verweigert.

Von einer Ausweitung des Arbeitsbegriffs hält Paoli entsprechend nichts. Vor allem die Frauenbewegung der 1970er dehnte den Arbeitsbegriff, um deutlich zu machen, dass es jenseits der Lohnarbeit Tätigkeiten gibt, die nicht anerkannt werden. Wer morgens die Kinder versorgt, dann einkauft, die Wohnung putzt, kocht und sich schließlich noch die Sorgen des in Lohn und Brot stehenden Mannes anhört, leistet ziemlich viel: Doch weil es sich per herrschender Definition nicht um Arbeit handelt, gibt’s dafür auch kein Geld. Der sogenannte »Bielefelder Ansatz« der Soziologinnen Claudia Werlhof und Veronika Bennhodt-Thomsen prognostizierte darüber hinaus in den 1980ern gar eine »Hausfrauisierung« der Arbeitsverhältnisse. Tatsächlich bestätigt sich die Theorie inzwischen in der Praxis: Ein immer kleinerer werdender Teil der Arbeit wird überhaupt noch entlohnt, die Deregulierung der Arbeitswelt schreitet voran.


Wer Arbeit sagt, sagt auch Nicht-Arbeit

Paoli hingegen sagt: »Wer Arbeit definiert, bestimmt auch die Nicht-Arbeit«. Jede Definition sei zugleich auch eine Ausgrenzung. Recht hat er. Solange Begriffe vor allem in binärer Opposition funktionieren – im digitalen Zeitalter ließe sich dies trefflich mit ›0‹ und ›1‹ umschreiben – gibt es kein Entkommen. Wer Arbeit sagt, sagt damit auch, was keine Arbeit ist. Der Volksmund allerdings hat Unrecht: »Wer A sagt, muss auch B sagen«. Stimmt nicht. Denn wer A sagt, kann anschließend auch C sagen. Dies sind die Vorteile eines Alphabets. Doch von einer solchen heterogenen Differenzierung ist der Arbeitsbegriff noch weit entfernt.

Klar ist auch: Der Weg, einfach alles zur Arbeit zu erklären, bringt wenig Trennschärfe in die Angelegenheit. Es würde ein ziemlich endloses Begriffskaugummi entstehen. Was Paoli nicht sagt, aber plausibel ist: Der Kampf um eine Ausweitung des Arbeitsbegriffes, um vor allem gegen patriarchale Strukturen zu wirken, hatte und hat durchaus seine Berechtigung. Es ist eben eine Frage des Standpunkts: Die eine Herangehensweise ist radikal, weil sie den Arbeitsbegriff abschaffen will, die andere hingegen reformistisch, weil sie will, dass mehr gesellschaftlich wirkendes Tun als Arbeit anerkannt wird.