Webwecker Bielefeld: gesetzentwurf02

»Ziemlich katastrophaler Gesetzesentwurf« (Teil 2)



Studium auf Wirtschaft ausrichten

Was ist denn diese grundsätzliche Kritik an dem Gesetz, die du angesprochen hast?

Es sind mehrere sehr gravierende Dinge. Zum einen soll dieses Gesetz die Hochschulen quasi einer freien Marksituation aussetzen. Das Land meint mit dem Gesetz sich zurückzuziehen, die Hochschulen sollen mit dem Gesetz von Hochschulexternen dominiert werden um somit das Studium besser auf die Wirtschaft ausrichten zu können. Das finden wir nicht in Ordnung, weil wir immer noch meinen, dass ein Studium eine frei persönliche Entscheidung sein soll. Und das geht nicht, wenn die Wirtschaft bestimmt, welche Studiengänge überhaupt noch angeboten werden. Für kleinere Studiengänge oder solche, die nicht so klar verwertbar sind, wird das natürlich katastrophal. Die werden geschlossen und wir werden zukünftig nur noch ein sehr verknapptes Studienangebot haben.


Du hattest das Problem mit den Externen grade angesprochen: Die neue Struktur, die die Hochschulen jetzt erhalten sollen, stößt bei Studierendenvertretungen ja auf massive Kritik. Was kann diese neue Struktur mit einem extern dominierten Hochschulrat und dem Präsidium, das ja auch demokratisch kaum legitimiert ist, denn bedeuten?

Es kann eben zum einen bedeuten, dass die wichtigen Positionen durch Externe besetzt sind. Das heißt, durch Personen von Oetker, von Bertelsmann. Und die werden dann hier das Zepter schwingen. Gleichzeitig erhalten die Hochschulen die Möglichkeit Firmen auszugründen aus der Universität. Das heißt, man kann komplette Forschungsbereiche aus der Universität auslagern und die Forschungsergebnisse werden dann an die Konzerne, die die Macht in der Universität haben, günstig abgetreten.


Bis jetzt war ja der Senat das höchste Gremium der Hochschulen, der mehr oder weniger demokratisch von allen Mitgliedern der Hochschule gewählt wird. Das ist ja auch ein Ergebnis der 68er Studentenbewegung. Wird das Rad der Geschichte jetzt zurückgedreht?

Auf jeden Fall. Der Hochschulrat, der dann das höchste Gremium ist und die meisten Kompetenzen hat, unterliegt ja praktisch gar keiner demokratischen Legitimation. Er wird teilweise durch den alten Hochschulrat gewählt, teilweise durch das Ministerium und teilweise noch durch Leute aus dem Senat. Allerdings kann dieses Gremium, das den Hochschulrat bestimmt, mit Zwei-Drittel-Mehrheit entscheiden. Wenn also der alte Hochschulrat und das Ministerium sich einig sind, können sie zusammen einen neuen Hochschulrat durchpeitschen. Mit Demokratie hat das nicht mehr viel zu tun. Und das einzige demokratisch legitimierte Gremium, der Senat, verliert ja fast alle Kompetenzen und hat fast nur noch Beratungskompetenz.


Nachwuchs für Konzerne

Ein Bereich, der euch als Studierendenvertretung besonders am Herzen liegt, ist der Bereich der Lehre. Welche Veränderungen kann es da durch das Gesetz geben?

Die Lehre wird durch die massive externe Bestimmung sehr viel stärker auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sein. Es wird weniger Lehre in Richtung Forschung geben, es wird kaum noch eine freie Lehre, wie wir sie jetzt noch kennen, geben. Vor allem muss die Frage gestellt werden, ob es noch eine kritische Lehre geben wird, ob überhaupt noch zur kritischen Hinterfragung der Lehr- und Wissenschaftsinhalte aufgefordert wird, wenn die Studiengänge darauf ausgerichtet werden, den Konzernen neuen Nachwuchs zu bescheren.