Webwecker Bielefeld: haftplatz

Hohe Haftplatzdichte (26.04.2006)





Vernetzung auch im Zeichen des Opferschutzes: (v.l.n.r) Christian Bakemeier (Sprecher des Netzwerks), Magdalena Falk (Bewährungshilfe),Ulrich Weber (von Bodelschwinghsche Anstalten) Klaus Loevenich (Verein zur Förderung der Straffälligenhilfe Bielefeld), Uwe Nelle-Cornelsen (Leiter JVA Brackwede II)




Am gestrigen Dienstag stellten Vertreter von Institutionen, die sich mit straffällig gewordenen Menschen befassen, das neue »Netzwerk Soziale Strafrechtspflege« vor. Mit ihm soll die Wiedereingliederung von Haftentlassenen in Bielefeld verbessert werden. Der Koordinierungskreis des Netzwerkes stellte dabei klar, dass deren Resozialisierung gleichzeitig auch Opferschutz bedeutet.


Von Mario A. Sarcletti

»Bielefeld hat eine sehr hohe Haftplatzdichte«, weiß Uwe Nelle-Cornelsen, Leiter der Justizvollzugsanstalt Brackwede II. Insgesamt 2.500 Haftplätze stehen in den drei Bielefelder JVAs zur Verfügung, Tendenz steigend. Damit kommen auf 100.000 Einwohner über 800 Haftplätze, im Bundesdurchschnitt sind es nur 96. Bielefeld ist damit Spitze, nur die Stadtstaaten Berlin und Hamburg haben laut Nelle-Cornelsen eine vergleichbare »Haftplatzdichte«.

Das war aber nur ein Grund, warum das Land NRW die Teutostadt neben Köln und Kleve als eine von drei Modellregionen auswählte, in denen sich Einrichtungen der Straffälligenhilfe vernetzen. Den anderen nennt Klaus Loevenich vom Verein zur Förderung der Straffälligenhilfe Bielefeld: »Wir wurden auch ausgewählt, weil es hier schon etwas gab«, stellt er fest. Denn bereits 1999, als das Justizministerium des Landes »örtliche Koordinierungskreise« für die Straffälligenhilfe einführte, war Bielefeld dabei. Denn hier ist nicht nur die Haftplatzdichte hoch, auch die Zahl der sozialen Einrichtungen ist überdurchschnittlich.

Mit der Vernetzung wollen die »justizinternen und justiznahen Dienste« die Resozialisierung straffällig gewordener Menschen fördern – und damit auch den Opferschutz verbessern. Denn von einer geringeren Rückfallquote profitieren eben auch potenzielle Opfer. Uwe Nelle-Cornelsen äußert sich zu der Quote der in Bielefeld einsitzenden Häftlinge vorsichtig: »Es ist sehr schwer, dazu eine seriöse Aussage zu machen«, möchte er sich nicht zum Handlanger von Populisten machen, räumt aber ein: »Ein Großteil unserer Klienten kommt zurück«. Es gebe unterschiedliche Zahlen, abhängig davon, ob man einschlägige Delikte oder jede Straftat von ehemaligen Häftlingen zählen würde. Auch in den unterschiedlichen Altersgruppen variiere die Quote stark. Eines ist aber nicht nur für den Leiter der JVA klar: »Wenn die Rahmenbedingungen besser werden, sinkt auch die Rückfallquote«.

Die Rahmenbedingungen will eben das neue Netzwerk verbessern. In Zeiten, in denen auch im Bereich er Straffälligenhilfe gekürzt wird, sollen die vorhandenen Ressourcen durch die Vernetzung effektiver eingesetzt werden. Außerdem hat sich das Netzwerk zum Ziel gesetzt, die Öffentlichkeit zu informieren. »Straftäter sorgen ja eher nicht für positive Schlagzeilen«, sagt Christian Bakemeier, Sprecher des Netzwerks. Eine Aufgabe sei es, eine positive Stimmung gegenüber Haftentlassenen zu schaffen.


Schwierigere Klientel

Deren Situation hat sich nach Angaben von Magdalena Falk, Koordinatorin der Bewährungshilfe Bielefeld, in den vergangenen Jahren verschlechtert. »Eine schwieriger werdende Gruppe muss mit weniger Personal betreut werden«, beschreibt sie den Spagat, der der Bewährungshilfe abverlangt wird. Jeder der knapp zwanzig Mitarbeiter der Einrichtung müsse 77 Haftentlassene betreuen, deren Probleme in den vergangenen Jahren komplexer geworden seien, wie Falk sagt. Von denen bräuchte der Großteil psychiatrische Behandlung, viele hätten Suchtprobleme, weit über fünfzig Prozent seien schon bei Haftantritt massiv verschuldet, die meisten hätten mit Armut zu kämpfen, beschreibt Falk ihre »Probanden«.