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»Deine Würde ist unser Maß« (03.05.2006)






Frank Richter ist für einen Mindestlohn. Aber angemessen soll er sein: »Was hat ein Mindestlohn von 6 Euro mit Würde zu tun?«



Von Manfred Horn

Auf den DGB ist Verlass: An jedem 1. Mai pünktlich um 10.30 Uhr geht die Demonstration in der Marktstraße los. Die Route führt über ein Rechteck und mündet im Ravensberger Park. Dort wird zunächst geredet. In diesem Jahr war Frank Richter, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, der Hauptredner.

Wie Roland Engels, Vorsitzender der DGB-Region Ostwestfalen, ging Richter auf die Stimmen ein, die eine Abschaffung es 1. Mai forderten. Erwartungsgemäß erteilten beide diesem Ansinnen, dass in den vergangenen Jahren ebenfalls pünktlich kurz vor dem 1. Mai geäußert wird, eine deutliche Absage. Richter wandte sich in seiner Rede des weiteren dagegen, dass »Menschen als Kostenfaktoren betrachtet werden«. Der DGB wolle »Anwachsen sozialer Ungerechtigkeit nicht weiter hinnehmen«. Richter ging auch auf das Motto des DGB zu dem diesjährigen 1. Mai ein: »Deine Würde ist unser Maß«. Ohne die Würde des Einzelnen gebe es keine soziale Gesellschaft. Würde bedeute das Recht auf ein existenzsicherendes Einkommen, Mindestlohn und Tarifvertrag. Alle Menschen sollten am Wohlstand teilhaben. Solidarität sei dabei eine notwendige Grundlage, um die sozialen Herausforderungen gewaltfrei zu lösen.

Weiter klagte Richter darüber, dass die großen Unternehmen immer reicher würden, die Arbeitnehmer hingegen Reallohneinbußen hinnehmen müssten. Viele Unternehmen zahlten keinen einzigen Cent Steuern mehr: »Die Krankenschwester in München zahlt mehr Steuern als der BMW-Konzern«. Richter warf der alten rot-grünen Bundesregierung vor, eine ungerechte Steuerpolitik zugunsten der Unternehmen betrieben zu haben, in der großen Koalition habe sich seitdem »nicht viel geändert«. »Damit wenige gewinnen können, müssen viele verlieren«, sagte Richter und stellte heraus, dass soziale Ungerechtigkeit schlecht für die Demokratie sei.


Sozialabbau und Krieg sind kein Schicksal

Domuz Alesi vom Verband der türkischen Arbeitnehmervereine (DIDF) forderte in seiner Rede Solidarität jenseits noch Grenzen: »Wir beobachten tagtäglich, wie die Unterschiede in der Lebensweise dazu ausgenutzt werden, um Nachbarn, Kollegen, Freunde und Mitschüler gegeneinander auszuspielen«, mal werde die Religion, mal die Nationalität für die Spaltung der Menschen ausgenutzt. Die Vorstellung von einem Kampf der Kulturen sei »paranoid«. Für eine bessere Zukunft müssten Christen und Muslime zusammenstehen. Sozialabbau und Krieg – Alesi ging auch auf einen drohenden Krieg im Iran ein – seien kein Schicksal. »Wir lassen nicht zu, dass man uns gegeneinander ausspielt«.

Johanna Soufi, Personalrats-Vorsitzende in der Universität und Mitglied der dortigen ver.di Betriebsgruppe, ging auf die schwierige Situation der Landesbeschäftigten ein. Ver.di will den TVÖD (Tarifvertrag Öffentlicher Dienst) auch für die Landesbeschäftigten durchsetzen. Die Arbeitgeber, die in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder zusammengeschlossenen Bundesländer, verweigern dies aber hartnäckig. Sie wollen vor allem eine Ausweitung der Arbeitszeit auf 40 und mehr Stunden durchsetzen (WebWecker berichtete).. Soufi erinnerte in ihrer Rede daran, dass es die Beschäftigten seien, die mit 76 Prozent einen Großteil der Steuern zahlen. »Wer zahlt, bestimmt die Musik. Sorgen wir dafür, dass wir endlich die Musik bestellen«, rief sie den gut 3.000 im Ravensberger Park Versammelten zu.





Samba und Protest standen im Ravensberger Park nebeneinander