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Man spricht Deutsch? (03.05.2006)





Pflicht oder Kür? Es diskutierten (v.l.n.r.) Gerd Schrammen
(Verein Deutsche Sprache), Eleonore Chowdry (LandeschülerInnenvertretung),
Tayfun Keltek (Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen
NRW), Britta Hasselmann



An zwei Berliner Schulen wurde beschlossen, dass auf dem Schulhof Deutsch gesprochen werden soll. Auch in einem Bielefelder Fitnessstudio gilt: Man spricht Deutsch. Zwei Deutsche, die auch Türkisch sprechen, hielten sich nicht dran und flogen raus. Für die taz ein Anlass, eine Podiumsdiskussion zu der Frage zu veranstalten: »Was sprichst du«?



Von Mario A. Sarcletti

Am vergangenen Donnerstag blieb im IBZ ein Platz auf dem Podium leider leer, Ümit Yavuz kam nicht. Dabei hätte der Abiturient aus Spenge wohl durchaus interessante Einblicke ins Thema geben können. Denn er hat Erfahrung mit der Deutschpflicht auf deutschen Schulhöfen gemacht. Denn an seiner Schule wurde bereits vor Jahren mit seiner Zustimmung das beschlossen, was jetzt für Diskussionen sorgt: In den Pausen muss dort Deutsch gesprochen werden.

Für Tayfun Keltek, Migrationspolitiker aus Köln, ist es kein Zufall, dass die Diskussion um die Frage gerade jetzt für Schlagzeilen sorgt. »Das geschieht in einer Zeit der Gesinnungstests«, stellte er fest. Wenn Roland Koch oder Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger das Thema auf die Agenda setzten, sei dies »Mittel zum Zweck«. »Das Ziel ist es nicht, die Sprachkenntnisse zu fördern«, vermutete Keltek.

Nach seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Lehrer brauche es auch gar kein Deutschgebot, natürlich sei an deutschen Schulen Deutsch die Umgangssprache. Seiner Meinung nach geht es bei der aktuellen Diskussion um die Diskriminierung bestimmter Sprachen. Für Jugendliche ein gefährliches Signal: »Meine Sprache ist meine Identität und die wird abgelehnt«, beschreibt er die Botschaft, die bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ankommt. »Wenn auf einem Schulhof Englisch gesprochen würde, würde sich niemand beschweren«, unterstreicht er diese These.

Gerd Schrammen vom Verein Deutsche Sprache würde sich wohl beschweren. Ihm geht es vor allem darum, das Deutsche rein zu halten und gegen Anglizismen in der Sprache vorzugehen. Insofern hatte er zum Thema des Abends relativ wenig beizutragen, tat das aber auf launige Art und Weise, was immer wieder für Lacher sorgte.


Landesschülervertretung gegen Deutschgebot

Die Schülerseite auf dem Podium vertrat Eleonore Chowdry, Bielefelder Gymnasiastin und Mitglied der Landesschülervertretung. »Wir haben da lange darüber diskutiert und sind der Meinung, dass das Deutschgebot eine Diskriminierung darstellt«, erklärte sie die Haltung der LSV. Integration könne nicht durch Zwang erfolgen, findet die Tochter eines Irakers, deren Muttersprache Deutsch ist. Sie glaubt auch, dass sich Schüler von selbst für Deutsch als Verkehrssprache in der Schule entscheiden. »Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er andere durch die Verwendung seiner Muttersprache ausgrenzt«, sagte sie.

Gegen Zwang ist auch Britta Hasselmann, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen. Die Partei findet aber freiwillige Vereinbarungen in Ordnung. »Aber wir wollen kein Gesetz, das das von oben verordnet«, erteilt sie Plänen von Koch und Oettinger eine Absage. Andererseits solle die Politik entsprechende Beschlüsse »der gewählten Gremien einer Schule« nicht verbieten.