Webwecker Bielefeld: vomBraucke02

»Abwägungssache, wo die totale Überwachung beginnt« (Teil 2)



Noch vor drei Jahren sprach niemand mehr von der FDP, sie versank bei den Landtags-Wahlen irgendwo zwischen zwei und vier Prozent. Heute hat die Partei Hochkonjunktur. Nun könnte man meinen, damit ist die FDP zur Medien-Mode-Partei geworden, die, wenn die Mode ihren Höhepunkt überschreitet, genauso schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken kann. Man denke nur an das Schicksal eines Schlagersängers namens Guildo Horn.

Interessanter Vergleich. Aber da würde ich Ihnen wiedersprechen. Ich bin ja schon seit 1988 in der FDP. Und ich habe ich der Tat diese schwere Zeit durchlitten, von 1994 an ging es eigentlich bergab. Ich habe 1994 in Bielefeld für den Rat kandidiert und wir sind mit 2,5 Prozent untergegangen. Weil die Leute zwar die FDP an dem gleichen Tag in den Bundestag gewählt haben, aber mit der Faust in der Tasche dann eben bei der Kommunalwahl dieses Kreuz bei der FDP nicht gemacht haben.

Wir haben viele Fehler gemacht. Gerade in der Periode 1994-98 waren wir zu inkonsequent, sind zu oft eingeknickt. Das fing 1993 mit der Pflegeversicherung an. Und wir hatten glaube ich auch eine zu alte Politikergarde, die sich irgendwo auch ein bisschen zu satt gesehen hat. Heute verkörpern wir eine neue Generation, die sehr konsequent den Liberalismus durchsetzen will. Eine Partei, die so konsequent liberale Politik vertritt, wird auch eine Zukunft haben und nicht nur eine temporäre Erscheinung sein.


Jürgen Möllemann ist in der FDP eher gefürchtet denn geliebt. Nach dem Antisemitismus-Streit um die Position der FDP zu Jamal Karsli folgte die Anstellung von Axel Müller, Mitarbeiter des Bundes für Steuerzahler, als Wirtschaftsreferent bei der NRW FDP-Fraktion, die den Eindruck hinterließ, die FDP habe an der Bonus-Meilen-Affäre mitgestrickt. Möllemann als Populist zu bezeichnen, ist noch eine milde Formulierung. Warum trennt sich die FDP nicht von ihm?

Populist ist er sicher, aber das ist kein Schimpfwort. Er ist unser Landesvorsitzender und ich habe ihn diesmal auch gewählt. Und ich halte es auch nach wie vor für gut, weil er einfach gewisse Dinge zuspitzt. Die Antisemitismusdebatte war unnötig, da hat er sich ja auch entschuldigt. Dass er das nicht bei Friedmann gemacht hat, ist schade. Aber das ist letztendlich seine persönliche Angelegenheit. Und die Sache mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter da mit rein zu bringen halte ich schon für ein bisschen unlauter, weil nun überhaupt kein Zusammenhang nachgewiesen werden konnte. Es ist nun mal so, dass sich Mitarbeiter aus einem begrenzten Pool rekrutieren. Man muss verlässliche Mitarbeiter haben. Dass er für die Bonusmeilenaffäre beim Bund der Steuerzahler zuständig war – da ich kann ich keinen Zusammenhang dafür erkennen, dass das ein Grund gewesen wäre, bei der FDP angestellt zu werden.


Der liberale Begriff ist zunächst einmal ein weiter Begriff. Liberalismus eines linksliberalen Gerhard Baum, ist das der Liberalismus, den Sie meinen?

Liberal ist vor allem verknüpft mit dem Begriff Freiheit. Aber nicht Freiheit von Verantwortung, sondern Freiheit und Verantwortung oder Freiheit zur Verantwortung. Jeder Mensch soll sich soweit entwickeln können, wie es seinen persönlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht. Wir glauben, dass das vor allem dann möglich ist, wenn der Staat sich möglichst wenig damit auseinandersetzt und dem Einzelnen möglichst viel Freiheiten lässt. Das heißt dann aber auch, dass sich der Einzelne um gewisse Dinge mehr kümmern muss als es ein allwissender Staat macht. Im persönlichen Bereich ist man mehr gefordert. Aber ich glaube, dass das auch sozialer ist, wenn man sich um sein Umfeld kümmert. Liberalismus heißt vor allem: Selbstverwirklichung, weniger Staat, Freiheit.