Webwecker Bielefeld: oktober 2001

Stellungnahmen zum geplanten Untersee (bis Oktober 2001)



Geplanter Untersee (bis Oktober 2001)


1. Oktober

Bund der Steuerzahler: Untersee-Studie war Steuergeldverschwendung

Dem Bund der Steuerzahler in NRW ist der mögliche Untersee schon heute ein Dorn im Auge. In seinem jüngsten Schwarzbuch kritisiert der Bund die hohen Kosten für die Machbarkeitsstudie von 380.000 Mark. Aber auch Zweifel an einer wasserrechtlichen Genehmigung werden konstatiert. Die Baukosten für den See gibt der Steuerzahlerbund mit 170 Millionen Mark an.


10. September

Initiative CONTRA Johannissee

2000 Unterschriften gegen den geplanten Untersee an Oberbürgermeister und Stadtrat

Die "Initiative CONTRA Johannissee" wird am 13. September Oberbürgermeister Eberhard David und dem Rat der Stadt eine Liste mit über 2000 Unterschriften von Bielefelder BürgerInnen und auswärtigen Unterstützern gegen den geplanten Untersee überreichen. Die UnterzeichnerInnen der Liste sprechen sich dagegen aus, in der Johannisbachaue neben dem Obersee den Johannissee zu bauen. Der Oberbürgermeister und der Rat der Stadt Bielefeld werden gebeten, die Planungen zum See einzustellen und den Bau des Sees nicht weiter zu verfolgen.


29. Juni

"Die Naturfreunde" sprechen sich gegen Untersee aus

Die Ortsgruppen Bielefeld und Heepen des Tourismusvereins "Die Naturfreunde" sprechen sich in einer Stellungnahme an Oberbürgermeister Eberhard David gegen den geplanten Untersee aus. Sie fürchten u.a. die Zerstörung der großflächigen, naturnahen Bachlandschaft und negative Wirkungen eines Sees auf die Freiluftschneise. Außerdem weisen sie auf die prekäre Haushaltslage der Stadt hin.


16. Mai

Bezirksvertretung Heepen für Untersee im Gebietsentwicklungsplan

Mit den Stimmen der CDU und BfB beschloss die Heeper Bezirksvertretung, im Gebietsentwicklungsplan alle Möglichkeiten zur Realisierung des geplanten Untersees offen zu halten. SPD und Grüne stimmten dagegen.


10. Mai

Auch die Naturfreunde gegen den geplanten Untersee

Nach dem Bund der Steuerzahler sprechen sich nun auch die Bielefelder Naturfreunde gegen den geplanten Untersee aus. Die Mehrzahl der Mitglieder des Vereins sind nach einer Diskussion der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie aus ökologischen wie ökonomischen Gründen gegen das Vorhaben. Ökologisch spricht für die Naturfreunde die Zerstörung der großflächigen naturnahen Bachlandschaft und die negativen Wirkungen auf eine Frischluftschneise gegen den See. Ökonomisch bezweifeln sie, dass eine Stadt, die nicht einmal die Betriebskosten von 200.000 Mark für ein Naturkundemuseum aufbringen könne, die Folgekosten für einen neuen Stadtsee werde schultern können.


2. Mai

Dem Bund der Steuerzahler ist der Untersee zu teuer

Der Bund der Steuerzahler rät in der Mai-Ausgabe seiner Verbandszeitung dringend vom Bau des geplanten Untersees ab. Bei geschätzten Kosten von 85 Millionen Mark bliebe nach Abzug von Einnahmen immer noch ein Kostenvolumen von 47,7 Millionen Mark für die Stadt. Wenn jetzt schon von einer Kostenverdoppelung auf 170 Millionen Mark die Rede sei, sei das Projekt noch unrealisierbarer geworden.


28. März

Rainer Hahn: Untersee könnte 170 Millionen Mark kosten

Auf einem Hearing zum Untersee nannte der Gutachter Dr. Rainer Emmenlauer, Geschäftsführer der Berliner Gesellschaft für Projektsteuerung, Kosten von mindestens 85 Millionen Mark für das See-Projekt. Rainer Hahn von den Grünen merkte an, wenn es denn stimme, dass die tatsächlichen Baukosten doppelt so hoch lägen, wie ursprünglich veranschlagt, würde der See rund 170 Millionen Mark verschlingen. Nach Angaben von Prof. Ludwig Obermeyer, dem Gewässer-Gutachter, sei der jetzige Zustand des Sees für die Wasserqualität ausreichend. Wenn allerdings einen Wasserqualität der Stufe II gefordert werde, müsse man noch etwas tun. Unklar seien noch die Kosten.


21. Februar

Untersee gefordert

Der Verein Pro Untersee hat auf seiner Jahresversammlung den Bau des Untersees in Bielefeld gefordert. Der Bau sei angesichts der Tendenzen in der Gesellschaft richtig, sagte der Vereinsvorsitzende Claus Horst Raeck und forderte die Bielefelder Politiker auf, sich für den See zu entscheiden und die Planungsarbeiten bald beginnen zu lassen.


25. Januar 2001

Dieter Glaubitz, Initiative CONTRA Johannissee schreibt zum Untersee:
Man hört und liest, Bielefelds Attraktivität müsse gesteigert werden und träumt vom Untersee für Wassersport in und auf sauberem Wasser und Unterhaltung unter freiem Himmel. Ich bin nicht überrascht von der Tatsache, dass es schwer ist Träumende in die Realität zurückzuholen, selbst wenn man es mit drastischen Bildern, Glossen und spitzer Feder versucht. Aber immer wieder enttäuscht es mich zu erleben, mit welchem Egoismus die "Eventgesellschaft" Raum für ihre Aktivitäten einfordert ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass auch ein vitaler Bedarf an Ruhe vor Unterhaltung und Trubel besteht, und das nicht nur innerhalb der eigenen vier Wände als letztem Refugium. Ist denn diese Gesellschaftsform wirklich so erstrebenswert, dass sich alles ihr unterordnen muss? Es gibt eine Menge ernst zu nehmende Leute, die das verneinen. Es gibt in unserer Stadt schon genug anspruchsvolle "Events", sogar mit Weltstadtniveau, und auch l(s)eichte: in der Stadthalle, in der Seidenstickerhalle, im Stadttheater, im Theater am Alten Markt, auf den zahlreichen Kleinbühnen, in zwei Superkinos, demnächst im großen Maßstab auch im Varieté im "Neuen Bahnhofsviertel", bei Ausstellungen mit Rahmenveranstaltungen in den wunderschönen, weithin bekannten Bielefelder Museen, in der "Erlebnisgastronomie", im PC, in Zweischlingen, aber auch unter freiem Himmel beim Bielefelder Sommertreff, auf dem Platz an der Radrennbahn, bei Stadtteilfesten, beim Leinewebermarkt, beim Weinmarkt, beim Weihnachtsmarkt, beim Schützenfest, auf der Alm und nicht zuletzt auch am Obersee beim Drachen- oder Oktoberfest und bei der Eiswette und, und, und... Sogar manchmal ohne Eintrittsgeld! Wenn man nur die Zeitungen richtig durchläse, dann fände man schon, was man sucht. Nicht alles wie in Weltstädten zu jeder Zeit zur Verfügung und doch in so großer Zahl, dass man gar nicht alles besuchen kann, was man gerne möchte. Muss man dann auch noch ausgerechnet eine der wenigen Oasen mit relativer Ruhe im Häuserbrei einer großen Stadt für diese Zwecke in Anspruch nehmen ? Ruhe und Raum zum Durchatmen ist heilsam und lebensnotwendig! Das sollte man nicht vergessen und denen die Möglichkeit nicht nehmen, die das suchen. Enttäuscht bin ich auch darüber, wie leicht man, fast arrogant, als nachdenklicher und mit Vorstellungskraft in die Zukunft schauender Mensch zum Reaktionär abgestempelt wird. Sind dann auch die Menschen Reaktionäre gewesen, die sich gegen den Abriss der Ravensberger Spinnerei zu Gunsten eines gigantischen Straßenkreuzes gewehrt haben? Heute ist das einer der "weichen Standortfaktoren" und Wallfahrtsort für Architekten und Stadtplaner. Und sind das wirklich die Ewiggestrigen, die sich wehren, wenn Reste von Natur aus der Stadt verdrängt werden, wenn ganze Straßenzüge mit Glas überdacht werden sollen, wenn Sehenswürdigkeiten "freigeholzt" werden, wenn der Häuserbrei sich ungebremst in die Randgebiete einer Großstadt ergießt und auch der letzte stille Winkel autogerecht vermarktet wird. Es langt doch, wenn die Innenstadt am Lärm und den Abgasen so sehr leidet, dass keiner mehr darin leben mag und zum Wohnen in die Randzonen der Stadt und aufs Land flieht.
Ich habe das Gefühl, viele von uns Stadtmenschen haben vor lauter Events und Berieselung mit Bildern und Konsum von Unterhaltung vergessen oder gar schon ganz verlernt, sich mit sich selbst und ihren Nachbarn und Mitmenschen zu beschäftigen. Längst nicht alle brauchen für ihre Freizeit Animateure. Welche Kraft ist zu schöpfen aus anregenden Gesprächen mit Vertrauten in einer Atmosphäre voll Ruhe und Besinnung auch unter freiem Himmel, vor der Haustür und nicht nur nach stundenlanger Reise zu Orten, für die es zum Werbeslogan geworden ist, dass man dort die Seele baumeln lassen kann. Wo man das kaufen muss, was uns hier in der Johannisbachaue genommen werden soll.
Man kann nicht alles haben, was wünschbar ist. Ich kann es verstehen, wenn man Sehnsucht hat nach Wasserflächen und Wasserläufen im Stadtbild. Es sind wirklich wunderschöne Visionen: Seen mit Booten darauf in einer weiten Parklandschaft mit herrschaftlichen Villen oder gar prunkvollen Schlössern. (ich darf allerdings nicht zu intensiv darüber nachdenken unter welch schweren Opfern und wie rücksichtslos manche davon realisiert worden sind. Gibt es da bald Parallelen ?). Bielefeld hat genug Pfunde, mit denen es wuchern könnte. Aber Gewohnheit macht blind !
Dieter Glaubitz, Initiative CONTRA Johannissee


Durchdrücken oder Zügeln? - Die politische Debatte um den geplanten Untersee gewinnt an Fahrt

Nachdem die Neue Westfälische mit Hilfe einer Meinungsbefragung den geplanten Untersee schon als von den BielefelderInnen beschlossene Sache darstellen wollte - diese Aktion hat der Zeitung und ihrem Chefredakteur bitterböse LeserInnen-Zuschriften eingebracht -, äußern sich nun auch die politischen Parteien der Stadt heftiger zum Untersee.

Die Bielefelder Grünen beziehen sich in einer Pressemitteilung auf die NW-Umfrage. Deuten die Ergebnisse aber anders. Die Studie mache deutlich, dass die meisten Befragten die Probleme eines solchen Großprojekts sehen und nicht wollen, dass die Stadt finanzielle Risiken übernimmt. Ob die Befragten sich über die weiteren Folgen des Untersee-Projekts wie Landschaftsverbrauch, Wasserqualität oder Wohnbebauung im Klaren sind, ergebe sich leider nicht aus der Umfrage. Die Grünen setzen auf weitere Information über diese absehbaren Folgen und sehen in der Ablehnungsquote von 33 Prozent eine gute Basis, die es zu verbreitern gilt. Denn der Untersee als Badesee werde ein Traum bleiben. Laut vorliegendem Gutachten zum Untersee betrage der städtische Anteil an der Realisierung eines Sees weit mehr als 60 Millionen Mark, zuzüglich jährlicher Folgekosten von vier bis sechs Millionen Mark.

Auf einem außerordentlichen Unterbezirksparteitag Ende September lehnte die Bielefelder SPD das Gutachten zum Untersee ab. Sie ging dabei erheblich über den moderaten Vorschlag des Parteivorstandes hinaus. Das Nein zur Studie hatten die Landtagsabgeordnete Helga Gießelmann und zehn weitere Delegierte in einem Ergängzungsantrag verlangt. Der frühere Landtagsabgeordnete Heinz Hunger warb dafür, sich mit der Studie zu beschäftigen. Der Parteitag der SPD sah nach heftiger Debatte einen "attraktiven Freizeitsee" als wünschenswertes Ziel an, setzt der Verwirklichung aber sehr enge Grenzen. Für einen See sollen keine städtischen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ein Freizeit- und Badesee müsse für alle Menschen frei zugänglich sein und dürfe nicht überwiegend kommerziell genutzt werden. Um einen See als Wassersport- und Badesee nutzen zu können, muss dauerhaft eine ausrei-chende Wasserqualität gewährleistet werden. Ein See soll in die offene Landschaft eingebunden sein und der Naturschutz in der Joahnnisbachaue sei stärker zu beachten. Diese Vorschläge sah der Unterbezirksparteitag der SPD in der Machbarkeitsstudie zum Untersee nicht umgesetzt und lehnte das Gutachten ab. Ökologische, städtbauliche und verkehrliche Probleme seien nicht gelöst.

Als Reaktion auf den Beschluss der SPD bekräftigt der Kreisvorsitzende der CDU, Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup, dass die CDU das "große Freizeit- und Naturprojekt" weiter verfolgen werde. Er warf der SPD, laut NW "politischen Eiertanz" vor. Er kritisierte Bürgermeister Dr. Rainer Wend (SPD), der sich vor zwei Jahren noch als Wegbereiter des Sees habe feiern lassen.

In die gleiche Richtung zielt die Bürgergemeinschaft für Bielefeld (BfG) in einem Pressetext, in dem sie sich für die Realisierung des geplanten Sees einsetzt. "In einer Machbarkeitsstudie für die Bielefelder Bäder- und Freizeiteinrichtungen GmbH hat die Planungsgemeinschaft unter Leitung von Professor Obermeier mehrere Wege aufgezeigt, den Untersee mit vertretbaren Investitionen zu realisieren. Das noch verbleibende Defizit von rund 20 Millionen DM sollte angesichts des Jahrhundertprojektes vertretbar sein.", schreibt die BfB.

Unterdessen wehrt sich Bürgermeister Dr. Rainer Wend gegen die Vorwürfe von BfB und CDU. Der NW sagte er, seine Position zum Untersee sei auch nach dem Parteitag der Bielefelder SPD unverändert.