Webwecker Bielefeld: Teil 2

Teil 2: "Der traurige Frühling" und "Milena Jesenska´ - Biographie einer Befreiung"



Titel: Milena JesenskaMilena Jesenska´ ist bekannt als Kafkas Freundin, eine Wahrnehmung, die ihrer Person nicht gerecht wird. Sie übersetzte Kafka ins Tschechische, hatte eine kurze Affäre mit ihm, aber das war nur eines. Margaret Steenfatt zeichnet den spannungsvollen, oft unbequemen Lebensweg Milena Jesenska´s vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte nach. 1886 wird Milena als Tochter wohlhabender Bürger in Prag geboren. Sie erlebt schon als Kind eine widerspruchsvolle Situation: die Mutter ist durch Krankheit ans Haus gebunden, beansprucht die Unterstützung der Tochter. Der Vater, angesehener Zahnarzt und Frauenheld, kümmert sich wenig ums Häusliche. Milena bewundert ihren weltgewandten Vater. Den Tod der Mutter empfindet sie als Befreiung. Da sie die Zwänge und Oberflächlichkeiten der Gesellschaft durchschaut, sucht sie Neues, sie knüpft Kontakte zu tschechischen Intellektuellen. Es kommt zum Bruch mit dem Vater, als Milena Jesenska´ ihre erste Ehe durchsetzt. Allerdings entspricht diese Beziehung, die sie in der traditionellen patriarchalen Rolle festhält, nicht ihren Idealen. Wiederum bricht sie aus, ist auf sich selbst gestellt. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie als Journalistin. Sie übersetzt und veröffentlicht Artikel, kommentierende Beschreibungen alltäglicher Erlebnisse, in Modejournalen und Frauenrubriken der liberalen und konservativen Presse. Mehr und mehr hat sie Teil am politischen Aufbruch ihrer Zeit. Milena sympathisiert mit den Kommunisten, entscheidet sich für die kommunistische Presse. Ihrer ausgeprägte Individualität steht oft im Widerspruch zur Parteikonformität. Auch privat durchlebt Milena Jesenska´ Höhen und Tiefen, neue Lieben, neue Trennungen, Krankheit, die eine Gehbehinderung zurücklässt, 1928 wird sie trotz Beziehung alleinerziehende Mutter ihrer Tochter Jana-Honza. Die Machtergreifung Hitlers bleibt für die Tschecheslowakei nicht folgenlos, ebenso wenig für Milena Jesenska´. Sie berichtet über das Schicksal der Ausgegrenzten und solidarisiert sich praktisch, schließt sich dem Widerstand an.Am 12. November 1939 wird Milena Jesenska´ festgenommen, im Herbst 1940 wird sie nach Deutschland in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. Auch dort versucht sie als politischer Mensch zu leben, zu überleben, um später zu berichten. Ihr Gesundheitszustand ist schlecht, die Bedingungen im Lager tun das ihrige. Milena Jesenka´ erlebt die Befreiung Ravensbrück durch die Rote Armee nicht. Am 17. Mai 1944 stirbt sie im Alter von 48 Jahren. Steenfatt schreibt: Milena Jesenska´ gehört nicht zu den Helden der Weltgeschichte, denen man ein Denkmal setzt. Wie sie gelebt, was sie geleistet und geschrieben hat, entzieht sich jeder Idolisierung. Es ist etwas anderes, weniger Auffälliges, aber gerade deshalb Besonderes, das ihre Persönlichkeit auszeichnet: eine absolut tolerante Gesinnung gegenüber Menschen anderer Völker, anderer Kulturen, anderer Religionen - und die Achtung vor der Würde jedes Einzelnen. Mit dieser Haltung ist sie ihrer Zeit weit voraus - ist sie noch heute lebendiges Beispiel einer politischen Frau." Dem ist nichts hinzuzufügen.


Michael Moshe Checinski, "Der traurige Frühling", Eichborn, 2002, 22 Euro
Margaret Steenfatt, "Milena Jesenska´ - Biographie einer Befreiung", Europäische Verlagsanstalt, 2002, 18 Euro


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