Webwecker Bielefeld: b66nihk01

Das Problem der sozialen Wünschbarkeit (30.04.2003)



Die B66n soll nach den Vorstellungen des Bundes nicht kommen. Doch noch müssen die Länder entscheiden. IHK und Einzelhandel betreiben heftige Lobbyarbeit, um die Straße noch zu retten. Ihre Blitzumfrage weist nach Meinung des Emnid-Geschäftsführers jedoch erhebliche handwerkliche Mängel auf.


Von Manfred Horn

Eigentlich ist die Entscheidung um die B66n gefallen. Der Bund sieht im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans keinen dringlichen Bedarf. (der WebWecker berichtete) Doch noch haben die Befürworter der B66n, die durch den Bielefelder Osten führen würde, eine Chance. Bevor das Bundesverkehrsministerium des Wegeplan entgültig verabschieden kann, braucht er noch die Zustimmung der Länder und des Bundesrats. Eigentlich sollten die Länder, also auch NRW, ihre Bedarfsliste bis zum 30. April nach Berlin gesendet haben. Doch in Düsseldorf kommt es zur Verzögerung. Die rot-grüne Koalition ringt noch, für welche Straßen sie vordringlichen Bedarf beim Bund anmelden will. Damit verschiebt sich der Zeitplan: Am 13. Mai soll die Liste ins Kabinett eingebracht, am 16. Mai vom Verkehrsausschuss des Landtags beraten und am 20. Mai schließlich nach Berlin überbracht werden.

Seit Wochen versucht eine lokale Koalition aus Industrie- und Handelskammer (IHK), Einzelhandelsverband und CDU, Einfluss auf die Entscheidung in Düsseldorf zu nehmen. Man will, dass das Land einen vordringlichen Bedarf für den Bau der B66n erkennt und damit den Entwurf des Bundesministeriums kippt. Die Neue Westfälische beispielsweise berichtete in den vergangenen Wochen häufiger über die Initiativen und Meinungen der Befürworter, die nicht nur an die Medien herantreten, sondern gleichzeitig Botschaften und Delegationen nach Düsseldorf senden.

Dabei sind die Argumente alle schon ausgetauscht, wobei die der Kritiker, die sich in Bielefeld in der »Bürgerinitiative gegen die B66n« bündeln, offensichtlich die überzeugenderen waren. Eine von der IHK initiierte »Blitzumfrage« unter Bielefelder Gewerbetreibenden sollte kürzlich deutlich machen, wie dringend notwendig die B66n für die Entwicklung der Bielefelder Wirtschaft sei. Der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Emnid, Hartmut Scheffler, ist seit 23 Jahren im Umfragegeschäft. Für ihn weist die »IHK-Blitzumfrage« insbesondere zwei handwerkliche Mängel auf, die die Verwendbarkeit der Studie in Frage stellen, wie er in einem Brief an die Bürgerinitiative schreibt. Zum einen sei ein Mangel an Repräsentativität festzustellen. Von 700 angesprochenen Unternehmen hätten 220 geantwortet, circa 30 Prozent. Scheffler fragt, was die »fast 70 Prozent, die nicht geantwortet haben, auszeichnet. Zumindest seien sie wohl von diesem Thema nicht ausreichend stark berührt, da zum Ausfüllen des Fragebogens nicht mehr als zwei Minuten Zeit benötigt worden wären. Nimmt man die 700 Anfragen als Grundlage, gäbe es bei dieser Umfrage keine Mehrheit mehr für den Bau der B66n. »Oder anders formuliert: Das scheinbar klare Ergebnis ist bei weitem nicht so klar«, schreibt Scheffler.

Ein weiteres wichtiges Kriterium der Umfrageforschung bestehe darin, alle Fragen neutral und ohne Tendenz zu stellen. Dies sei in der vorliegenden Umfrage nun keinesfalls gemacht worden. Die Fragen selbst sind neutral, die Einleitung aber nicht, hebt Scheffler hervor. Statt Pro und Contra darzustellen, habe die Einleitung nur die Vorteile für die Wirtschaft aufgezählt. Diese einseitige Darstellung führe zu »sozialem Druck« auf die Beantwortenden. Ein grober Fehler, der in der kommerziellen Umfrageforschung nicht vorkommen dürfe. Umfrageforschung lebe von ihrem wissenschaftlichen Anspruch, und der sei in diesem Fall nicht eingehalten.