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Gerd Fuchs, "Die Auswanderer"



Titel: Die Auswanderer"Niemand wandert ohne Not aus, niemand wandert ohne Hoffnung aus. Auch heute noch sind Millionen unterwegs, so lautet das Motto des neuen Roman "Die Auswanderer" von Gerd Fuchs. Immer noch wagen viele Menschen den existentiellem Schritt, die bekannte Umgebung, das vertraute Umfeld zu verlassen, um in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen. Die Motive sind unterschiedlich, Krieg, Verfolgung, materielle Not, aber immer verbunden mit dem Wunsch, etwas neues, besseres zu finden.

Gerd Fuchs bearbeitet in seinem Roman "Die Auswanderer" das Thema Migration, allerdings nicht die aktuelle sondern den Auswanderungsboom Anfang des 19. Jahrhunderts, die erzählte Geschichte beruht auf historischer Recherche. Zwischen 1890 und 1920 verließen mehr als 30 Millionen Menschen Europa in Richtung neue Welt, die USA. Einige wenige dieser Auswanderer werden symbolisch porträtiert: eine ehemalige Nonne und Missionarin, ein russisches jüdisches Paar mit Sohn, dass gerade noch vor einem Pogrom fliehen konnte, ein Arzt, der statt empor zuheiraten als Schiffsarzt anheuert, ein Hapag-Werber, der flüchtige Rekruten mit gefälschten Papieren ausstattet und deshalb selbst zum Flüchtenden wird, ein Arbeitersohn, der nach seiner Militärzeit mit dem Tod der Mutter konfrontiert wird. Sie alle treffen 1892, im Jahr der Cholera Epidemie in Hamburg, zusammen, um auf dem Passagierdampfer Saxonia von dort nach Ellis Island zu reisen.
Die lebensgeschichtlichen Brüche und Motive der Einzelnen werden aufgerollt, sie lassen keine Rückkehr zu, es existiert keine Alternative zu dem existentiellem Schritt ins Ungewisse. Das Zurückgelassene ist klar, große Hoffnungen und Erwartungen werden an das neue Leben geknüpft. Allerdings scheint keiner der AuswanderInnen genau zu wissen, was die konkreten Ziele und nächsten Schritte in der neuen Welt sein könnten, angesichts des Unbekannten ist das wahrscheinlich gar nicht möglich. (Zu) Viel Konzentration und Kraft wird benötigt, um die Auswanderung erst einmal in die Realität umzusetzen: das umfasst die materielle Ebene, die AuswanderInnen benötigen Geld und Papiere, ebenso wie die psychische, die Einzelnen wägen Vergangenes gegen Mögliches ab, um die Kraft für diesen entscheidenden Schritt zu finden. Mit dem Blick auf New York aus der dichtgedrängten Menge auf dem Schiff endet der Roman. Historische Tatsache: ein Drittel der AuswanderInnen überlebte bereits das erste Jahr nach der Ankunft nicht. Trotz historischem Bezug aktuell und lesenswert.

Gerd Fuchs, "Die Auswanderer", Nautilus Verlag, 2003, 22 Euro

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