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Lily Brett, »Alles halb so schlimm«



Titel: Alles halb so schlimm
Lola Bensky ist die Hauptperson in Lily Bretts neuem Roman, »Alles halb so schlimm«, der im Deuticke Verlag erschienen ist. Alles halb so schlimm, so lässt sich Lolas Lebensgeschichte auf einen Punkt bringen. Es scheint auch das Motto ihrer Eltern zu sein.

Renia und Josl Bensky sind Überlebende des Holocaust, in Auschwitz wurden sie an der Rampe getrennt. In einem Lager für displaced persons treffen sie nach dem Krieg einander wieder. »Als sie Josl wiedersah, wagte sie ihn kaum anzusehen. Durch das, was sie gesehen und was sie eingeatmet hatte, fühlte sie sich von ihm getrennt. Sie kam sich vergiftet vor. Sie konnte fast nicht ertragen zu sein, wer sie jetzt war. ...Sie war nicht Renia Bensky, die Frau von Josl Bensky. Sie war jemand anderes. Sie wusste, dass sich das nie mehr ändern würde.« Diese Hypothek begleitet Renia und Josl, beziehungsweise ihre Familie und ihr Umfeld ein Leben lang, wahrscheinlich darüber hinaus.

Josl und Renia wandern mit ihrer ersten Tochter Lola nach Australien aus und beginnen dort, ein neues Leben aufzubauen. Nach einigen Jahren hat die Familie es mit einem kleinen Kleidergeschäft zu etwas gebracht, Renia bleibt zu hause und kümmert sich um die Familie, u.a. mit kalorienbewussten, aber ausgewogenen Mahlzeiten und der Pflege des engen Freundeskeises: Man isst zusammen, geht zusammen ins Kino, feiert zusammen die Familienfeste wie Geburtstage und Hochzeiten, verbringt sogar gemeinsam die Ferien. Lola hält diese Freunde der Familie für Verwandte, doch entpuppt sich nicht jede Freundschaft als so dauerhaft. Angesicht der üblichen Lebensverwirrungen, Trennungen, heimliche Affären scheinen Toleranz und Verzeihen recht schwierig zu sein. Die Beziehungen und Ereignisse sind recht turbulent, mitunter mehr als skurril. Der gewöhnliche Alltag hat immer etwas mit der erlebten Vergangenheit zu tun, ohne diese grundsätzlich zu reflektieren. Die Aufarbeitung findet im Alltag statt, mal direkt, mal versteckt, das macht es für Lola nicht gerade leicht, mit ihrer Familie klarzukommen bzw. sich von ihr zu lösen. Lily Brett erzählt diese Geschichte mit dem ihr typischen, manchmal schwarzen Humor.

Bei der Lektüre fallen die Geschichten von Isaac B. Singer ein, die zwar in der Metropole New York spielen. Die Probleme der Charaktere sind aufgrund des gleichen Hintergrundes ähnlich und am besten mit Humor zu bewältigen. Sicherlich hat dieser Roman authentische Bezüge, schließlich überlebten Lily Bretts Eltern tatsächlich den Holocaust und wanderten 1948 nach Australien aus. Lily Bretts Roman lässt sich flott lesen und bietet nicht nur unterhaltsame Lektüre.

Lily Brett, Alles halb so schlimm, Franz Deuticke Verlag, 2002, 14,90 Euro


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