Webwecker Bielefeld: hohmann

Hohmanns Hintergrund (12.11.2003)



Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann bezog sich in seiner antisemitischen Rede zum Tag der deutschen Einheit explizit auf das Werk eines Bielefelders Bibliothekars. Johannes Rogalla von Bieberstein ist in der Bibliothek der Uni-Bielefeld ausgerechnet für die Beschaffung in den Bereichen Soziologie und Politikwissenschaften zuständig.


Von Mario A. Sarcletti

»Leider ist uns das Buch bisher nicht zugänglich gewesen, deshalb kann ich dazu noch nichts genaueres sagen«, beschreibt Phillippe Wagner, Referent für Hochschulpolitik des Allgemeinen Studierendenausschusses AStA der Universität Bielefeld, das Dilemma, in dem sich viele an dem Buch »Jüdischer Bolschewismus« Interessierte befinden. Das einzige Exemplar in der Uni ist verliehen, seit bekannt wurde, dass es die Steilvorlage für Martin Hohmanns Rede zum Tag der deutschen Einheit wurde. »Wenn es aber wahr ist, dass solche Thesen in diesem Buch vertreten werden, dann ist der Umstand, dass Rogalla von Bieberstein in der Bibliothek den Fachbereich Soziologie leitet, nicht tragbar«, so Phillippe Wagner.

Die These, der Johannes Rogalla von Bieberstein in dem 2002 erschienenen Buch nachgeht sei die, dass der Mythos des »jüdischen Bolschewismus« einen realen Kern habe: »So findet und erfindet er jede Menge Bande, die zwischen Juden und dem Bolschewismus geherrscht hätten«, beschreibt die Antifa-AG der Uni, die das Werk gelesen hat, das Vorgehen des Historikers. »Damit rechnet Bieberstein den »jüdischen Bolschewisten« eine kausale Mitverantwortung für das Entstehen eines radikalisierten Antisemitismus nach 1918 zu, indem er die Reaktion »der christlich-bürgerlichen Welt« auf eine »tatsächliche Herausforderung« erblickt«, beschreiben die Studierenden den Tenor des Buches in einer Stellungnahme. Tatsächlich heißt es bei Bieberstein: »Die Parteinahme einer bedeutsamen Fraktion der Judenheit für Soizalismus und Kommunismus hat unzählige Christen und Bürgerliche � in aller Welt alarmiert und antijüdisch reagieren lassen.«

Da verwundert es nicht, dass »Jüdischer Bolschewismus � Mythos und Realität« in rechten Kreisen, in denen Juden eine Mitschuld am Antisemitismus und daraus folgend dem Holocaust gegeben wird, auf breite Zustimmung trifft. So verdient »das ausgezeichnete Buch« nach Meinung des Ostpreußenblatts »weiteste Verbreitung«. Die könnte es über einschlägige Versande im Internet erhalten, das Buch ist sowohl bei Nation 24 als auch beim Deutschen Buchdienst des Gerhard Frey neben CDs des rechtsextremen Liedermachers Frank Rennicke oder dem Standardwerk für Antisemiten »Die Holocaust Industrie« von Norman Finkelstein erhältlich.

Die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit lobt »Jüdischer Bolschewismus« als »wegweisenden Beitrag«. Einer der Autoren des Blattes, Hans-Helmuth Knütter, schreibt im Internet zu dem Buch: »Es ist ein verdienstvoller Tabubrecher, geeignet, auch die etablierten Historiker zu zwingen, sich mit dem vernachlässigten Thema zu befassen.« Neben seiner Tätigkeit für die Junge Freiheit schreibt Knütter auch für die National-Zeitung und die Zeitschrift Aula und tritt als Referent bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft auf, die sich vor allem dem Kampf gegen die Wehrmachtsausstellung widmet. Deren Schlussfolgerung zu dem Buch ist eindeutig: »Die Vergleichbarkeit der Haltung vieler Juden in Bezug auf Bolschewismus mit der Haltung vieler Deutscher zum Nationalsozialismus liegt auf der Hand.«