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»Typisch antisemitisches Muster« (19.11.2003)



Das Buch »Jüdischer Bolschewismus � Mythos und Realität« des Uni-Bibliothekars Johannes Rogalla von Bieberstein sorgt an der Universität Bielefeld weiterhin für Aufregung. Nachdem die Antifa AG und der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität die Entlassung Biebersteins verlangten, tauchten in der Mensa auch ihn unterstützende Flugblätter auf. Der Bibliothekar selbst bestreitet den Antisemitismusvorwurf und warf in der NW seinen Kritikern vor, das Buch nicht gelesen zu haben.

Es gibt aber mindestens einen Kritiker der sich das Buch vorgenommen hat. Lutz Hoffmann, Soziologe, ehemaliger Dozent an der Fakultät für Pädagogik und bis zu seiner Pensionierung Akademischer Oberrat im Zentrum für Lehrerbildung der Universität Bielefeld erklärt im WebWecker-Interview, dass in dem Buch mit antisemitischen Mustern eine Entlastung der Deutschen versucht wird.




Webwecker: Herr Hoffmann, in »Jüdischer Bolschewismus« findet man ja eine Unmenge an Zitaten, alleinauf den ersten elf Seiten gibt es 106 Fußnoten. Wie ist das Buch denn aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten?

Lutz Hoffmann: Formal entspricht es sicherlich den wissenschaftlichen Arbeitsmethoden. Bei genauerem Hinsehen allerdings kann man feststellen, dass der Autor kaum über die Qualität eines Zettelkastens hinauskommt, denn es gibt keinen Ansatz einer Theorie. Er stückelt seine Zitate aneinander und überlässte es im Grunde dem Leser, zwischen den Zeilen eine Logik aufzubauen, die seine Theorie sein soll, das hinter den Zitaten steckende Muster der Selektion der Zitate. Er spricht zum Beispiel gelegentlich von einem Wirkungszusammenhang. Das ist wirklich ein gewaltiger Anspruch, wenn er da eine historische Kausalkette zwischen der Beteiligung der Juden am Bolschewismus und dem Holocaust aufbaut. Aber es bleibt bei der bloßen Behauptung dieses Wirkungszusammenhangs, es gibt keinen Ansatz irgendeiner theoretischen Begründung und insofern ist es aus wissenschaftlicher Sicht nicht fundiert genug.


An dem Buch fällt auf, dass viele Zitate aus zwei, drei Wörtern bestehn und zum Teil nur Sekundärquellen verwendet werden. Genügt das dem wissenschaftlichen Anspruch?

Die Zitate sind sehr willkürlich zusammengestellt und bei näherem Prüfen der Quellen, was ich nicht gemacht habe, würde man sicher feststellen, dass er sehr häufig sie Zitate aus dem Zusammenhang nimmt und dass der Autor, den er zitiert, das so gar nicht gemeint hat. Das kann man bei einigen Autoren, die eigentlich gar nicht in Biebersteins theoretisches Spektrum, in seine Weltanschauung passen, zumindest vermuten. Wie gesagt, er hat jahrelang einen Zettelkasten gefüllt und alles, was irgendwie da rein passte und der Stützung seines Ansatzes diente, hat er entsprechend geordnet aber nicht mehr kritisch hinterfragt, ob das wirklich so gemeint ist.