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»Typisch antisemitisches Muster« (Interview Teil 3)



Jetzt sagt ja Rogalla von Bieberstein, dass es sich bei dem Antisemitismus der Nazis mehr um einen politischen als um einen rassischen Antisemitismus handelte. Aber es gab ja so etwas wie Rassengesetze, wie kann man da auf so eine Idee kommen?

Die These vom politischen Antisemitismus ist für von Bieberstein zentral und sie hat eine eindeutig entlastende Intention. Er sagt der Antisemitismus der Deutschen unter dem Nationalsozialismus sei politisch gewesen, weil er durch den Antibolschewismus motiviert gewesen sei. Die Deutschen fühlten sich vom Bolschewismus bedroht, bei den Bolschewisten waren die Juden in großem Anteil vertreten, also machten die Deutschen die Juden für den Bolschewismus verantwortlich und bekämpften in den Juden die Bolschewisten. Das ist seine These. Und das habe nichts mit Rassisimus zu tun. Die entlastende Intention dieser Konstruktion ist, dass er sagt: Nachdem es keinen Bolschewismus mehr gibt, kann es auch keinen Antisemitismus mehr geben. Und das hat nichts mit irgendwelchen Überzeugungen zu tun, die die Juden als angebliche Rasse betreffen, sondern das ist eine politische Strategie gewesen, im Grunde eine Verteidigungsstrategie. Wir fühlen uns bedroht, die Kommunisten und die hinter ihnen stehenden Juden wollen das Christliche Abendland vernichten und deswegen wenden wir uns gegen die Juden.


Das ist doch faktisch Quatsch: Erstens, wenn man sich ansieht, wie viele bekennende Juden tatsächlich Bolschewiki waren. Das war doch tatsächlich eine sehr kleine Zahl. Und zweitens sind ja in der frühen Sowjetunion die Juden auch verfolgt worden.

Es ist in jeder Hinsicht unvertretbar. Um das letzte, was Sie gesagt haben, noch einmal aufzugreifen: Das Buch behandelt überhaupt nicht die ganze Komplexität des Verhältnisses zwischen jüdischen Menschen und dem Bolschewismus. Dazu gehört eben auch die Vernichtung der Juden unter Stalin. Das ist eine völlig unwissenschaftliche Argumentation. Der entscheidende Kritikpunkt ist aber der, dass die Argumentation von Bieberstein nur funktioniert, wenn er die Juden als ein geschlossenes Kollektiv versteht. Als Volk im völkischen Sinne mit einer eigenen Subjektivität. Und das ist ein typisch antisemitisches Muster. Er sagt: Die Juden reagieren immer in dieser völkischen Vitalität aus der Volksseele heraus. Und wenn diese jüdische Volksseele den Kommunismus und Bolschewismus hervorbringt, dann kann ich dafür alle anderen Mitglieder dieses Volkes verantwortlich machen. Denn woher nimmt er sonst einen Zusammenhang zwischen Kindern jüdischer Religion in Deutschland und Trotzki, was haben die miteinander zu tun. Nichts außer der Tatsache, dass Bieberstein eine antisemitische Konstruktion verfolgt, das ist die einzige Verbindung.


Nun sitzt dieser Mann ja in der Uni-Bibliothek und ist unter anderem zuständig für den Einkauf von Literatur für Soziologie, Politikwissenschaften und Frauenforschung – als Abtreibungsgegner im Übrigen auch interessant. Glauben Sie, dass er an dieser Stelle richtig ist.

Das ist eine Frage, die einer genauen Prüfung bedarf. Mir ist aber schon immer aufgefallen, dass die Literatur der Neuen Rechten in der Universitätsbibliothek Bielefeld gut vertreten war.