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Gutschein für 2.500 Euro angeboten (22.10.2003)



Eine erste Bestandsaufnahme der Sozialforschungsstelle Dortmund kommt zu einer kritischen Bewertung von Bildungsgutscheinen. Die Autoren des Berichts schlagen unter anderem vor, die politischen Steuerungsmechanismen wieder zu aktivieren. Insbesondere müsse geklärt werden, wer die Verantwortung dafür übernimmt, den großen Teil der Arbeitslosen nicht nur zu fordern, sondern zu fördern, der sich nicht selbst »managen« kann.


Der freie Wettbewerb soll eigentlich zu einer Verbesserung der Passgenauigkeit der Maßnahmen mit den Bildungsbedarfen des Einzelnen und den Qualifikationsbedarfen der Betriebe führen – kurz zwischen Bildungsangeboten und Bildungsnachfrage. Die Reform in Form von Bildungsgutscheinen stelle dabei eine konsequente Fortsetzung der eingeleiteten Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre dar. Doch die Autoren sehen deutliche Veränderungen in der Politik der Bundesanstalt für Arbeit: So habe die Geschäftsleitung der Bundesanstalt bereits Anfang 2003 verkündet, die Bundesanstalt habe keine soziale Funktion mehr zu erfüllen. Das heißt, für schulische oder gesellschaftliche Probleme sei man nicht mehr verantwortlich, mit versicherungsfremden Leistungen müsse Schluss sein. In der Praxis äußerte sich das in erheblichen Haushaltskürzungen, besonders bei den sogenannten ›aktiven Leistungen‹. So wurden die Finanzmittel für Arbeitsförderungsinstrumente um etwa 20 Prozent gekürzt und weitere Sparmassnahmen angekündigt.

Konkrete Verschlechterungen für Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen bestünden unter anderen darin, dass die Weiterbildungsdauer seit der Einführung der Bildungsgutscheine auf die Dauer der Bezugsberechtigung anteilig angerechnet werde. Wer also zwei Monate Weiterbildung macht, verliert damit auch einen Monat Anspruch auf Arbeitslosengeld. Noch stärker betroffen seien Arbeitslosenhilfe-Bezieher, stellen die Autoren fest. Statt wie bisher einen Unterhalt in Höhe des Arbeitslosengeld-Satzes von 60 bis 67 Prozent, so erhalten sie jetzt nur noch eine Unterhaltszahlung in Höhe der zuletzt bezogenen, bedürftigkeitsgeprüften Arbeitslosenhilfe.

In der Bestandsaufnahme wird festgestellt, dass die Anzahl in berufliche Weiterbildung seit Jahresbeginn kontinuierlich sinke, von April 2002 auf April 2003 um fast 60 Prozent im Westen, im Osten der Republik sogar um 68 Prozent. Die Bildungsträger konstatieren ein »Allzeittief bei Qualifizierungsmaßnahmen nach dem SGB III« und befürchten sogar einen völligen Kollaps der beruflichen Weiterbildung. Statt Wahlfreiheit für die Gutscheininhaber trete gerade für diejenigen, die auf Beratung und Qualifizierung angewiesen sind, eine Überforderung auf.

Konkrete Erfahrungen sammelten die Autoren in den Monaten Mai und Juni 2003 im östlichen Ruhrgebiet. Erste Eindrücke zeigten dort, dass die Einbrüche bei den Bildungsträgern durch die neuen Regelungen dort am eklatantesten sind, »bei denen die gesamte Geschäftsstrategie auf die Qualifizierung und Beschäftigung von schwer Vermittelbaren (Langzeitarbeitslose, BerufsrückkehrerInnen, benachteiligte Jugendliche, gering Qualifizierte, MigrantInnen) konzentriert, während sich andere, vor allem kleinere Bildungsträger mit Angeboten für besser Qualifizierte (Akademiker), bisher zum Teil auf dem bisherigen Niveau halten können«. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Teilnehmerstruktur an Weiterbildungen verschieben wird: Von Arbeitslosen- und Sozialhilfebeziehern hin zu Arbeitslosengeldbeziehern. Dies hängt wiederum mit der neuen Qualifizierungsrichtung der Bundesanstalt zusammen, nicht mehr zielgruppenspezifisch zu arbeiten: So kann kein Arbeitsamt mehr auf eigene Faust eine Absenkung der Erfolgsquote von 75 Prozent auch für diejenigen Arbeitslosen, die schwer vermittelbar sind, beschließen. Was wiederum mit der Aufgabe jeglicher sozialregulatorischer Funktion seitens der Bundesanstalt zusammenhängt.