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Korruptionsverdacht nicht ausgeräumt (16.07.2003)



Von Manfred Horn

»Unsere schlimmsten Befürchtungen sind leider wahr geworden: Auffälligkeiten beim Bau, Betrieb oder Verkauf von Müllverbrennungsanlagen ergaben sich nach den Ergebnissen der Ermittler beinahe bei allen Überprüfungen.« Mit diesen Worten resümiert NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) die Resultate des Untersuchungsstabes Antikorruption.

Seit Mai 2002 hatte die aus zwölf Fachleuten auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung zusammengesetzte Kommission den Auftrag, Vergabe- und Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit dem Bau von neun Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen zu prüfen. Dabei wurden mehr als 1.300 Aktenordner ausgewertet. Neben eigenen Recherchen ging sie 363 Hinweisen nach.

Eine sachlich unangemessene Einflussnahme auf oder durch politisch Verantwortliche haben die Prüfer in fast allen Fällen festgestellt. Der Untersuchungsstab fand Anhaltspunkte, dass ein großes Entsorgungsunternehmen � die Firma Trienekens � ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger aufgebaut hat. Durch die verschleierte Verflechtung zwischen Politik und privater Wirtschaft sei ein »Klima diverser Abhängigkeiten« entstanden, das in weiten Teilen ein objektives und sachgerechtes Handeln der Kommunen ausschließt. »Aus der Fülle der Details kann man erkennen, wie schwierig es ist, in einem Konglomerat von Abhängigkeiten zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Firmen sowie politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit großen Bauvorhaben korruptionsanfällige Sachverhalte aufzuspüren«, erklärte Behrens.

In drei Fällen wurden aufgrund der Arbeit des Untersuchungsstabes staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren eingeleitet: Mit der Müllverbrennungsanlage (MVA) Asdonkshof im Kreis Wesel befasst sich inzwischen die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wuppertal, mit der MVA Iserlohn die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum und mit der MVA Weisweiler für Kreis und Stadt Aachen die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Köln.

Die Verfahren im Zusammenhang mit der MVA Bielefeld konnten nur eingeschränkt geprüft werden. Die Prüfer bemängelten in ihrem Abschlussbericht, ihnen seien nicht alle Unterlagen vorgelegt worden. Zudem sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich gewesen, wie das Ausschreibungsverfahren für die MVA Mitte der 1970er Jahre gelaufen sei. Verantwortlich für die unvollständige Herausgabe von Dokumenten ist der MVA-Betreiber »Interargem«, ein Zusammenschluss der Stadtwerke Bielefeld, Elektrizitätswerk Minden-Ravensberg und Elektrizitätswerk Wesertal. Damit ist ein Korruptionsverdacht bezüglich der MVA Bielefeld nicht ausgeräumt.

Als Konsequenz aus dem in der vergangen Woche vorgestellten Abschlussbericht will Behrens ein Fachreferat »Korruption und Umweltkriminalität« beim Landeskriminalamt in Düsseldorf einrichten. Dadurch will man weitere Einblicke in den Korruptionsdschungel gewinnen, den der Untersuchungsstab auch nicht gänzlich lichten konnte. Unter der Hotline-Nummer 0211-871-2440 hofft Behrens auch auf � auch anonyme � Anrufer, die Hinweise geben können.

Der im Internet veröffentlichte Abschlussbericht wurde inzwischen wieder aus dem Netz genommen, nachdem beteiligte Personen mit einer Klage gedroht hatten. »Um auch nur das geringste Risiko einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu vermeiden «, begründete das Innenministerium das offline-stellen des Berichts.