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Soziales Netzwerk gegen Niedriglöhne (Teil 2)



Auf Grundlage des Artikels 140 des Grundgesetzes etablierten die Kirchen den sogenannten »Dritten Weg«. In einer gemeinsamen arbeitsrechtlichen Kommission zwischen ArbeitgeberInnen, leitenden Angestellten und eines »Verbands kirchlicher Mitarbeiter« sollen Arbeitsregelungen wie zum Beispiel Tarife festgelegt werden. Die Gewerkschaften bleiben draußen vor der Tür. Kommt es zu keiner Einigung, findet eine Zwangsschlichtung statt. Arbeitskämpfe sind in diesem Modell nicht vorgesehen, die ArbeitgeberInnen setzen auf Debatte und Einsicht. Die spezielle Rechtssituation wird wohl auch der Grund sein, warum das Arbeitsgericht die deutlichen Lohnreduzierungen der v.B.A. bei den betroffenen 600 MitarbeiterInnen stattgeben wird. Die v.B.A. bricht keinen Tarifvertrag, einfach weil es im Kirchenbereich keine Tarifverträge gibt.

Ebenfalls im Servicebereich wollen auch die Städtischen Kliniken ab 1. April kräftig Geld sparen. Dort wären nach Schätzungen rund 180 MitarbeiterInnen von massiven Lohnkürzungen betroffen. Bei einer vollen Stelle und einer Einstufung in die Lohngruppe 2 sind das ab 1. April 30 Prozent weniger, übrig blieb ein Brutto-Lohn von 1109 Euro. Die betroffenen MitarbeiterInnen wären dann in einem tarifvertragslosen Zustand, der Lohn soll dann »einzelvertraglich« geregelt werden. Das Gezerre um die Einführung von Niedriglöhnen geht bei den Städtischen Kliniken schon seit einiger Zeit. Noch bis Ende März 2003 gilt ein Interessensausgleich, der vor zwei Jahren zwischen Geschäftsführung und Gewerkschaft unterzeichnet wurde. In diesem Ausgleich wurde festgeschrieben, dass Prozessoptimierung vor Lohnkürzungen geht. »Durch die Prozessoptimierung konnte Geld eingespart werden, jetzt sollen trotzdem die Niedriglöhne kommen«, empört sich Horst Franke, für das städtische Krankenhaus zuständiger ver.di-Gewerkschaftssekretär. Für ihn sind die Bestrebungen der Geschäftsführung »zum Teil eine ideologische Frage«, zum Teil rechne sich die Einführung von Niedriglöhnen gar nicht.

Am runden Tisch im Konferenzsaal der neuen ver.di.-Räume in der Oelmühlenstraße saßen am Montag Abend dann auch nicht nur ver.di VertreterInnen, sondern auch kirchliche MitarbeitervertreterInnen, organisierte betroffene Frauen, Mitarbeitervertreter bei der AWO und der Stadt und Vertreter der PDS und Bündnis 90/ Die Grünen. Entschuldigt waren Rainer Wend, der sein Interesse an dem neuen Sozialen Netzwerk ebenso signalisierte wie der ebenfalls entschuldigte Sozialpfarrer Eberhard Hahn.

Auch ein Mitarbeitervertreter des Johanneswerks war anwesend. Dort hat man bereits Erfahrungen mit dem Niedriglohn: 1998 etablierte das Johanneswerk sogenannte »W«-Gruppen. Hier zielten die Einsparungen zunächst auf neueingestellte un- und angelernte Servicekräfte im hauswirtschaftlichen Bereich. Später dann sollten die neuen Löhne auch auf MitarbeiterInnen im Pflegebereich ausgedehnt werden. Im Juli 2001 führten einige MitarbeiterInnen des zum Johanneswerk gehörenden Altenheims Simeonstift einen Warnstreik durch, den die Gewerkschaft damals als ersten Warnstreik im kirchlichen Bereich bezeichnete, die Arbeitgeber hingegen betonten, es hätten außer ein bis zwei MitarbeiterInnen vor allem Personen von außerhalb teilgenommen. Die Mitarbeitervertretung ging anschließend den juristischen Weg und konnte die Lohnabsenkungen für Servicekräfte nicht verhindern. Juristisch abgebügelt wurde aber der Versuch der Johanneswerk-Geschäftsführung, Niedriglohngruppen im Pflegebereich einzuführen.