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Wilde Bilder. Leben im Amerikahaus



»bildwild« präsentiert im November zwei Ausstellungen in dem leerstehenden Gebäude am Neumarkt




Von Mario A. Sarcletti

2500 Quadratmeter Büro- und Gewerbeflächen stehen in diesem Monat in Bielefeld weniger leer. Denn bildwild, eine Initiative von Studierenden des Fachbereichs Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld, nutzt das Erdgeschoß des Gebäudes an der Paulusstraße, für die Ausstellungen täglich extra und I’ve met Kylie. Damit werden zehn Prozent des Leerstandes an Büroflächen in Bielefeld zumindest vorübergehend genutzt. In Bielefeld stehen laut bautra 30.000 – 35.000 Quadratmeter Büroflächen leer, das Unternehmen möchte den Büroturm am Adenauerplatz errichten.

Das Amerikahaus ist eine der bekanntesten Leerstände der Stadt. Im November 1999 war der Spielwarenkonzern Toys „R" US ausgezogen, bald darauf folgte der Supermarkt im Erdgeschoß. Auf dessen Verkaufsfläche gibt es jetzt Kunst zu sehen: Vor allem Fotografien, aber auch Malerei, Mode, Grafik und Videokunst. Und das kam so: Vor dem Sommer hatte bildwild Sponsoren gesucht. Einer der angesprochenen möglichen Sponsoren empfahl den Studierenden sich das leer stehende Amerikahaus anzusehen. Die Studierenden waren begeistert, wandten sich an hfs, ein Münchener Immobilienunternehmen, die das Haus in einem seiner Immobilienfonds hat. „München war von der Idee sofort begeistert, hier eine Ausstellung zu machen", erinnert sich Urs Dierker, einer der Macher von bildwild." Die Studierenden rannten bei dem Tochterunternehmen der Bayrischen Hypo- und Vereinsbank offene Türen ein. „Wir sahen das als großes Unternehmen als unsere Verantwortung an, den jungen Künstlern zu helfen", so Cornelia Werner von der Fondsgesellschaft.

Ein anderes großes Unternehmen sah diese Verantwortung nicht. Im Gegenteil: Die Deutsche Bahn schmiss Mitte August bildwild aus dem Ladenlokal in der Bahnhofstraße und sorgte für heftige Diskussionen in Bielefeld. Die Bahn begründete die Kündigung damit, dass die Studierenden keine Kunst präsentierten, sondern die Passanten verarschten. Außerdem sei die Galerie ein Störfaktor im Bahnhofsumfeld, verlautete die Bahn damals. Ein Umfeld zwischen Porno und Pommes, wie Professor Andreas Beaugrand vom Bielefelder Kunstverein in einem Leserbrief in der Neuen Westfälischen schrieb. Für ihn und andere wertete die Galerie das Viertel auf, brachte Leben in das Sanierungsobjekt Obere Bahnhofstraße.

Zumindest für einen Monat ist jetzt alles wieder gut. Die Eröffnung von täglich extra und I’ve met Kylie zog viele kunstinteressierte Bielefelder an. „Ich bin wahnsinnig zufrieden und freue mich riesig, dass so viele Leute gekommen sind", strahlt Urs Dierker. Die vielen Leute bekamen auch viel zu sehen, 62 Künstler präsentieren in täglich extra ihre Werke. Thematisch sind die breit gefächert: So zeigt Marc Beckmann düstere schwarz-weiß Bilder von Edmund Stoiber im Wahlkampf, Viola Friedrich setzte den Roman „Die Zeitmaschine" von H.G. Wells im Miniformat fotografisch in Szene.