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Politischer Prozess (05.02.2003)



Landgericht Bielefeld

Richter Dieter Fels: Will nüchternen, unemotionalen Prozess führen




Am Montag begann vor dem Bielefelder Landgericht der Prozess gegen drei leitende Mitarbeiter der Drogenberatung Bielefeld, zwei Polizeidirektoren und den ehemaligen Polizeipräsidenten Horst Kruse mit bundesweiter Medienbeteiligung







Von Mario A. Sarcletti

Montag, kurz nach halb neun. Vor dem Bielefelder Landgericht frieren bei winterlichen Temperaturen etwa fünfzig Mitarbeiter der Bielefelder Drogenberatung und Kollegen von Drogenhilfeprojekten aus anderen Städten in Nordrhein-Westfalen. Eine Bläsergruppe spielt einen Trauermarsch. Der gilt der Drogenhilfe in NRW, der Bielefelder Prozess bedroht nach Meinung der Drogenberater die niedrigschwelligen Hilfsprojekte in NRW. Einer der Angereisten, Roland Lutz, von der Koordinationsstelle Sucht aus Unna, beschreibt, was diese Angebote bedeuten: »Niedrigschwellig heißt, dass Menschen in diese Einrichtungen reinkönnen, ohne höhere Schwellen überwinden zu müssen, um Grundbedürfnisse ihres Lebens zu befriedigen«. Grundbedürfnisse heißt, dass Drogenabhängige in den Einrichtungen ein warmes Mittagessen zum Selbstkostenpreis erhalten, duschen können, ärztlich versorgt werden. Menschen, deren Leben sich oft auf der Straße abspielt, ein Leben, in dessen Mittelpunkt Heroin oder Kokain und weniger ihre gesundheitliche Verfassung steht. Den Sozialarbeitern soll das Angebot den Kontakt zu den Abhängigen ermöglichen, die Vermittlung in andere Hilfsangebote ist neben der Überlebenshilfe ein Ziel.

Die Mitarbeiter aus den nordrhein-westfälischen Einrichtungen wollen ihre Solidarität mit den Angeklagten ausdrücken. Aber auch die Sorge um die niedrigschwelligen Hilfsangebote mobilisiert die Sozialarbeiter nach Bielefeld, »weil hier das ganze Konzept zur Disposition steht«, wie Roland Lutz erklärt. Namensschilder signalisieren, dass diese Zuschauer nicht normale Gerichtskiebitze sind, sondern Fachleute. Während sie fröstelnd auf die im Landgericht obligatorische Sicherheitskontrolle warten, bricht mit Donnergrollen ein Gewitter los. Ein Omen für das Verfahren, das Auswirkungen auf die Drogenhilfe bundesweit haben könnte?

Der Prozesstag selbst verläuft ziemlich ruhig. Der Vorsitzende Richter Dieter Fels scheint einen nüchternen, unemotionalen Prozess führen zu wollen. Er räumt ein, dass die Angeklagten über die Reihenfolge ihrer Einlassungen, die nicht unterbrochen werden dürfen, selbst entscheiden können. Die Angeklagten in diesem Prozess sind: Piet Schuin Geschäftsführer und erster Vorsitzender des Vereins Drogenberatung e.V., Michael Wiese, 2. Vorsitzender und Leiter der ambulanten Einrichtungen, sowie Wolfgang Rossel, Leiter der ehemaligen niedrigschwelligen Kontakt- und Anlaufstelle der Drogenberatung in der Wilhelm-Bertelsmann-Straße, die inzwischen an die Borsigstraße umgezogen ist. Dass zudem der ehemalige Bielefelder Polizeipräsident Horst Kruse auf der Anklagebank sitzt sowie die Polizeidirektoren Uwe Gebranzig und Heinz Haubrock, hebt das Medieninteresse an dem Prozess. Fernsehteams und Fotografen sind vor Ort, die Pressebank im Gerichtssaal ist überfüllt.