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Prozeß gegen Drogenhilfe beginnt (29.01.2003)



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Der Verein Drogenberatung: Gelegenheit gegeben zu unbefugtem Erwerb, Abgabe beziehungsweise Verbrauch von Betäubungsmitteln?


Am kommenden Montag stehen in Bielefeld Mitarbeiter der Drogenberatung und die ehemalige Polizeiführung vor Gericht. Für die Angeklagten die Forsetzung emotionalen Dauerstresses: Nach Jahren der Ermittlungen gegen sie folgen jetzt Jahre des Prozeßes: Dieser kann durchaus zwei Jahre dauern. Aber: Sie erfahren auch viel Solidarität







Von Mario A. Sarcletti

Der 3. Februar 2003 könnte ein wichtiges Datum für die Drogenpolitik in diesem Land werden. An diesem Tag beginnt vor der II. Großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld der Prozess gegen Mitarbeiter der hiesigen Drogenberatung, den ehemaligen Bielefelder Polizeipräsidenten Horst Kruse sowie die leitenden Polizeidirektoren Heinz Haubrock und Uwe Gebranzig. Der Polizeiführung wirft die Staatsanwaltschaft Münster Strafvereitelung im Amt, Förderung der Prostitution, Verschaffung von Gelegenheit zum unbefugten Erwerb und zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln sowie Verfolgung Unschuldiger vor.

Auf Seiten der Drogenberatung sitzen Piet Schuin, Geschäftsführer und Vorstand des Vereins, Michael Wiese, Leiter des ambulanten Bereichs und ebenfalls Vorstand sowie Wolfgang R., Sozialarbeiter und ehemaliger Leiter der niedrigschwelligen Einrichtung an der Wilhelm-Bertelsmann-Straße. Sie werden angeklagt, weil sie nach Meinung des Bielefelder Oberstaatsanwalts Kahnert anderen Gelegenheit zu unbefugtem Erwerb, Abgabe beziehungsweise Verbrauch von Betäubungsmitteln gegeben haben sollen. Der Strafrahmen: Bis zu fünf Jahre Haft.

Angeklagt sind dabei nicht die Hintermänner eines florierenden Verbrecherringes, sondern Menschen, die das 1998 beschlossene Konzept für die Drogenhilfe in dieser Stadt umsetzten. Dieses wurde zwischen Stadt, Polizei und Drogenberatung vereinbart. Es sah neben anderen Einrichtungen der Drogenhilfe auch eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Drogenabhängige vor. Zwischen Drogenberatung und Stadt wurde ein so genannter Leistungsvertrag geschlossen, in ihm wird auch die Klientel der Anlaufstelle beschrieben: »Die primäre Zielgruppe der Einrichtung ist die sogenannte Straßenszene, die Teilpopulation der Heroin konsumierenden Drogenabhängigen, die das öffentliche Bild der Szene innerstädtisch prägen«. Mit der Einrichtung sollten Schwerstabhängige angesprochen werden, die durch alle anderen Hilfsangebote nicht erreicht werden.

Das Konzept gibt es auch in anderen Städten, wird von Fachleuten als Überlebenshilfe gesehen. Denn: Wie die Bezeichnung heroinabhängig sagt, sind Heroingebraucher von ihrem Stoff abhängig, werden sich durch nichts davon abhalten lassen, den zu besorgen oder zu konsumieren. »Und dann ist es mir tausendmal lieber, die sind hier bei uns intoxikiert und wir können ihr Leben retten.Und nicht auf irgendeiner Kaufhaus- oder Bahnhofstoilette, wo sie sterben«, erklärt Uwe Griesmeyer, Leiter der Beratungsstelle der Drogenberatung in der August-Schröder-Straße. Zur Überlebenshilfe gehört auch, dass die Klienten warmes Essen zum Selbstkostenpreis bekommen, es gibt eine ärztliche Sprechstunde sowie - das eigentliche Ziel der Drogenberatung – die Vermittlung in Hilfsangebote wie das Methadonprogramm. Um HIV- und andere Infektionen zu verhindern, können gebrauchte Spritzen gegen sterile getauscht werden. Das hat auch den Vorteil, dass die gebrauchten Spritzen nicht in der Stadt herumliegen.