Webwecker Bielefeld: geschichtspreis01

Hoher Gebrauchswert (28.01.2004)




Heinz Deppermann vom Verein zur Aufarbeitung der deutschen Wehrmacht in Aktion: Er verleiht stellvertretend drei Schülerinnen der Gewinnerschulen einen Scheck von 250 Euro






Am Dienstag war Holocaust-Gedenktag. Anlass für den Verein zur Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Wehrmacht, einen regionalen Geschichtspreis zu vergeben. Schulklassen aus Porta und Gütersloh sind die Preisträger


Von Manfred Horn

Am 27. Januar war, von der breiten Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt, ›Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus‹. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog rief ihn 1996 aus, weil am 27. Januar 1945 das Konzentrationslager in Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit wurde. Der Gedenktag zeigt sich vor allem in der Beflaggung der öffentlichen Gebäude. Und eben auch durch einige wenige Veranstaltungen. Eine davon organisierte der Bielefelder ›Verein zur Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Wehrmacht‹, der vor zwei Jahren auch schon die Wehrmachtsausstellung in Bielefeld organisierte.


Die war damals sehr gut besucht, so dass der Verein einen Überschuss einbehalten konnte. Der wird nun für die Verleihung eines Geschichtspreises verbraucht. Dieses Jahr war Premiere. Zwei Schulklassen, jeweils aus Porta-Westfalica und Gütersloh, waren die Preisträger. Was nicht weiter verwundert, beteiligten sich doch nur diese beiden Schulen an dem Wettbewerb. »Die Resonanz hätte größer sein können«, zeigte sich Heinz Deppermann, Mitglied des Vereins zur Aufarbeitung der deutschen Wehrmacht, enttäuscht, »aber wir haben in zwei Jahren ja eine neue Chance«. Alle zwei Jahre, also 2006 das nächste Mal, soll der Geschichtspreis verliehen werden. »Vielleicht ist die Ausschreibung ja in der alltäglichen Dienstpost untergegangen«, mutmaßt er.

Das war aber auch schon die einzige schlechte Nachricht des Abends. Denn die Jury war mit den Arbeiten der beiden Schulen sehr glücklich. Aufgefordert waren Schulen, Jugendgruppen und Studierende, eine Arbeit zum Thema »Der zweite Weltkrieg in unserer Stadt« zu schaffen. Ziel des Preisbetreiber: Die Geschichte des 2. Weltkriegs stärker in das Bewusstsein der jüngeren Generation zu rücken. Laudator Wolfgang Emer, Fachdozent am Oberstufenkolleg, hob dann auch den Gebrauchswert der beiden Arbeiten hervor. Die Klasse 10c der Janusz-Korczak-Gesamtschule Gütersloh erstellte zusammen mit ihrem Geschichtslehrer eine antifaschistischen Stadtführer. In diesem sind sowohl die Gütersloher Orte nationalsozialistischen Verbrechens, auch das außerhalb von Gütersloh gelegene ehemalige Zwangsarbeitslager Stalag, wie auch Orte jüdischen Lebens und des Widerstands verzeichnet. Auch führt die Route zu Straßen, die Namen von Widerständlern tragen, wie beispielsweise die Goerdelerstraße in Gütersloh. »So kann Unterricht als außerschulischer Lernort gestaltet werden«, hob Emer hervor. Erstmalig liegt für Gütersloh nun ein solcher antifaschistischer Stadtführer vor.

Der Jahrgang 13 der Gesamtschule Porta Westfalica machte Geschichte auf andere Weise konkret. Mit noch lebenden Zeitzeuginnen wurde über ihre Erfahrungen im BDM gesprochen. Der BDM war die nationalsozialistische Mädchenorganisation – Bund deutscher Mädchen. Eine Form der Geschichtserfassung, die die Wissenschaft ›Oral History‹ nennt. Herausgekommen ist eine CD und eine kurze schriftliche Auswertung der Fragen. Auf der CD sind die Interviews drauf, die die SchülerInnen vor allem mit Bewohnerinnen einer Seniorenresidenz in Porta führen konnten. Denn Zeitzeuginnen zu finden, war gar nicht so einfach. Fazit der SchülerInnen: Ein spannendes Projekt, auch weil die Meinungen der befragten Frauen zu ihrer BDM-Vergangenheit sehr weit auseinander gingen.