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»Kriegserklärung« (Teil 2)



Bestätigt sieht Roth diese Sicht durch Aussagen des Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Der habe im Zusammenhang mit Hartz IV davon gesprochen, dass Fehlanreize zu beseitigen seien, um Arbeitsanreize zu schaffen. Ein offener Angriff auf die diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben. Ihnen soll Hartz IV Beine machen, sie sollen ihr Besitzstanddenken abschaffen. Tatsächlich: Zukünftig steht hinter jedem Arbeitenden ein Arbeitsloser, der von der Bundesagentur gezwungen werden kann, den gleichen Job für 30 Prozent weniger Lohn zu machen. Denn soweit darf das Lohnniveau zukünftig unterschritten werden. Erst dann tritt die Sittenwidrigkeit ein. »Doch wer wird das prüfen?«, fragt sich Roth. Jeder Einzelne, der meint, zu wenig zu verdienen, müsse dann vor Gericht ziehen. Roth ist sich sicher, dass dies nur wenige tun.

In der Logik des Kapitals heißt dies: Solange es Fehlanreize, also Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe gibt, gibt es auch Arbeitslosigkeit. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten: Abschaffung der Arbeitslosenunterstützung. »So war es bereits im Deutschland des 19. Jahrhunderts. Und die Bundesregierung beschreitet diesen Weg zurück«, sagt Roth.


»Angemessene« Unterkunft?

Innerhalb der Bundesregierung sei auch diskutiert worden, den Sozialhilfesatz um 20 bis 25 Prozent abzusenken, insbesondere das Wirtschaftsministerium habe dies gefordert. Die SPD schreckte aber für dieses Mal davor zurück. Die Meinungsmacher der Wirtschaft sind da schon einen Schritt weiter: So fordere Sinn, Sozialhilfeempfängern zwar weiter ihren Mietzuschuss zu zahlen, den Regelsatz aber komplett zu streichen. Die Konsequenz: Leute hätten zwar noch ein Dach über dem Kopf, aber nichts mehr zu essen. Das beschlossene Arbeitslosengeld II deutet eher in die andere Richtung, meint Roth: Noch etwas zu essen, aber kein Dach mehr über dem Kopf. Den die bankrotten Kommunen müssen den Empfängern des Arbeitslosengeldes II ab 2005 die Unterkunftskosten zahlen, allerdings in »angemessenem« Umfang. Was dann aber eine Kommune wie Bielefeld, die kein Geld mehr hat, als angemessen ansieht, lässt Schlimmes befürchten. Für Roth droht hier ganz klar Obdachlosigkeit.

Roth sieht hier ein klares Ziel der Wirtschaft: Die Abschaffung der Sozialhilfe für Erwerbsfähige. Diesen bliebe dann nur noch eine Alternative: Zu versuchen, völlig ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse zu bekommen, und dies zu Löhnen, die an Dritte-Welt-Länder erinnern.

Nahezu uferlose Senkung der Löhne als Mittel gegen Arbeitslosigkeit. Als Zutaten die Abschaffung der Tarifverträge und die Abschaffung der Arbeitslosenversicherung, wie von der Bertelsmann-Stiftung, dem Think-Tank der Bundesregierung, propagiert. Ein Rezept, das ernst zu nehmen sei und die die Bundesregierung von der Richtung her auch schon umsetze, meint Roth. Kapitalismus habe schließlich nichts mit Moral zu tun, zitiert Roth den Ifo-Chef Sinn. Dieser vergleicht den Menschen schlicht mit Äpfeln. Das Gesetz der Nachfrage regele alles. Sind die Äpfel schlecht oder gibt es zu viele Äpfel, ließen sie sich eben nur noch zu einem niedrigen Preis verkaufen.