Webwecker Bielefeld: aktionstag01

Prostete »voller Erfolg« (07.04.2004)




Über 100.000 Menschen protestierten am Samstag in Köln. Foto: Anti-Hartz-Bündnis NRW


Attac sprach von einem »unübersehbaren Zeichen«, DGB-Vorsitzender Michael Sommer fordert, das Anliegen von Hunderttausenden ernst zu nehmen. Die Bundesregierung indes zeigt sich zunächst wenig beeindruckt. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering gab das Motto aus: Augen auf und durch, die Reformen müssen sein


Von Manfred Horn

Über 500.000 Menschen protestierten am vergangenen Samstag gegen die Reformpolitik der Bundesregierung. Besonders die Agenda 2010 stand dabei im Mittelpunkt. Alleine in Köln, einem der drei bundesweiten Kundgebungsorte, kamen über 100.000 Menschen zusammen. Aus Bielefeld waren 24 Busse angekommen, aus der gesamten DGB-Region, also Bielefeld, Gütersloh, Herford und Minden, 55 Busse, die 2.720 Protestler mit nach Köln nahmen. Das Wetter war gut, die Stimmung ebenso, berichtete ein Demonstrationsteilnehmer anschließend. Einziger Wertmutstropfen: Die Bielefelder kamen so spät am Kundgebungsort an, dass sie den Popstar Nena nicht mehr hören konnten.

Ansonsten zeigte sich die Bündnisdemonstration in Köln gut organisiert. Deutlich sichtbar, dass die Gewerkschaften den Protest dominierten. Weniger das linksalternative Klientel war auf der Straße, eher diejenigen, die in Betrieben arbeiten und gewerkschaftlich organisiert sind. Von einem vollen Erfolg spricht denn auch Werner Kellas, beim DGB-OWL zuständig für Organisation, Bildung und Jugend. »Die Proteste haben gezeigt: Die Leute sind es endgültig leid, in den Medien zu hören, es handele sich um notwendige Veränderungen«, sagt er. Die Reformen würden den Leute das letzte Geld aus der Tasche ziehen. »Dies kann sich die Bundesregierung nicht leisten«

Zu den Rednern in Köln gehörte Norbert Blüm, ehemaliger Bundesarbeitsminister. Er gab zu, dass die von ihm betriebene Aufweichung des Kündigungsschutzes in den 1990er Jahren ein Fehler gewesen sei. Ihm seien beispielsweise vom Handwerk im Gegenzug Arbeitsplätze versprochen worden, auf die er noch heute warte. Jürgen Peters, Vorsitzender der IG-Metall, erklärte, er habe die Nase voll von angeblichen Reformen, »die wir bezahlen und die den anderen nutzen«. Die Parole, dass es den Menschen erst schlechter gehen müsse, damit es wieder besser werden kann, sei »Blödsinn«. Die Politik der Bundesregierung sei nicht nur sozial ungerecht, sondern auch wirtschaftlich unsinnig.

Das ATTAC-Mitglied Ilona Plattner erklärte bei der Kundgebung, die Agenda 2010 setze nun auch in der Bundesrepublik jene globale Enteignungs- und Verarmungspolitik durch, die den Ländern des Südens bereits seit zwei Jahrzehnten aufgezwungen werde: » Enteignung, weil der weltweit produzierte Reichtum nicht den Menschen zugute kommt, die ihn erarbeiten«. Diese Politik bringe weltweit Milliarden Verlierer hervor und die Menschheit insgesamt an den Rand sozialer und ökologischer Katastrophen. Für Plattner höchste Zeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen: » Wir wollen international verbindliche soziale und ökologische Regeln. Wir wollen eine drastische Arbeitszeitverkürzung und existenzsichernde Löhne«, forderte sie.

Der DGB hat für die nächsten Wochen keine weiteren größeren Prostete angekündigt. »Nach dem Sommer werden wir gucken und gegebenenfalls noch mal mobilisieren«, sagt Kellas. Der diesjährige 1. Mai steht beim DGB ganz unter dem Zeichen von Europa: »Unser Europa: Frei, gleich, gerecht«.

WebWecker Hintergrundinfos zur Agenda 2010