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Aua Awo (07.04.2004)




Ziemlich sauer: Die für die AWO zuständigen ver.di-Sekretäre Hermann Janßen und Horst Franke


Seit dem 1. April befinden sich die MitarbeiterInnen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in einem tariflosen Zustand. Die AWO hatte den mit der Gewerkschaft ver.di ausgehandelten Manteltarifvertrag zum 31. März aufgekündigt. Die Begründung der Arbeitgeber: Die Rahmenbedingungen sozialer Arbeit haben sich verändert. ver.di bereitet indes Kampfmaßnahmen vor.


Von Manfred Horn

»Eigentlich ist die AWO eine befreundete Organisation, sie kommt auch aus der Arbeiterbewegung«, erklärt Horst Franke, Bielefelder ver.di-Gewerkschaftssekreträr. Doch mit den alten Werten Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität nehme es die AWO wohl nicht mehr so genau: Sie betreibe Tarifflucht. Wer nach dem 1. April bei der AWO eingestellt wird, verdiene 20 bis 25 Prozent weniger und müsse statt 38,5 nun 40 Wochenstunden arbeiten, erklärt ver.di. Für diejenigen, die einen Arbeitsvertrag vor dem 1. April abgeschlossen haben, bleibt zunächst alles beim alten: Der alte Manteltarifvertrag wirkt nach. Dies gilt eigentlich nur für eine bestimmte Zeit und nur für Gewerkschaftsmitglieder. Die AWO in Ostwestfalen hat jedoch angekündigt, dass die Nachwirkung zunächst unbefristet und für alle Beschäftigten Gültigkeit hat.

Dabei seien schon die bestehenden Löhne schmal, empört sich Franke: Eine dreißigjährige Altenpflegerin verdiente bisher brutto circa 2150 Euro. Dabei bleibt es auch zunächst, der Stundenlohn ist durch den von den Manteltarifvertrags-Verhandlungen unabhängigen Lohn- und Gehaltsvertrag noch bis 31.Januar 2005 festgeschrieben. Jedoch werden etliche zusätzliche Einkommen gestrichen oder gekürzt: Weg fällt für nach dem 1. April Eingestellte das Urlaubsgeld von circa 300 Euro, das Weihnachtsgeld beträgt nur noch 50 statt knapp 84 Prozent eines Monatslohns. Aufs Jahr gerechnet muss zukünftig zwei Wochen länger gearbeitet werden, jede Woche eineinhalb Stunden. Weitere Verschlechterungen: Die Nachtarbeit, die Zuschläge bringt, beginnt erst um 22 Uhr statt wie bisher um 20 Uhr, Neueingestellte erklären sich generell bereit, Überstunden zu leisten. Auch der Krankengeldzuschuss, die Schichtzulage, zehn Freitage bei Krankheit des Kines, Arbeitsfrei bei Tod der Eltern: Alles gekürzt oder ganz gestrichen.

ver.di jedenfalls ist ziemlich stinkig. Der ab 1. April gültigen Arbeitsvertrag für Neueingestellte, der die bereits erwähnten Verschlechterungen enthält, sei »ein Horrorkatalog«. Ohne Not würden die Arbeitgeber »jahrzehntelang von Gewerkschaften erstrittene Arbeitnehmerrechte und Arbeitsbedingungen zu Grabe tragen«. Der Arbeitgeber AWO sieht das anders: Mit der Kündigung des Manteltarifvertrags habe man auf die geänderten »Rahmenbedingungen sozialer Arbeit« reagiert. Denn: Zuschüsse der öffentlichen Haushalte wurden gekürzt, Leistungsentgelte eingefroren oder nur geringfügig gekürzt.

Gleichzeitig sei die AWO als Anbieter sozialer Dienstleistungen einem »zunehmenden Wettbewerbsdruck privater Leistungsanbieter ausgesetzt«, die aufgrund fehlender Tarifbindung in der Lage seien, ihre »Personalkosten flexibel den Marktbedingungen anzupassen«, erklärt die AWO-Ostwestfalen. Die untere Grenze der Einsparungsmöglichkeiten im Sachkostenbereich sei nun erreicht. Die Personalkosten machen bei der AWO 76 Prozent der Gesamtkosten aus. Und da will die AWO nun ran. Man benötige »ein modernes Vergütungssystem mit leistungsbezogenen Elementen und ein vereinfachtes Tarifwerk mit flexiblen Regelungen zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen«. Komme es nicht zu diesem Tarifsystem, müsse die AWO »die Ausgliederung von Betrieben in GmbHs, die Streichung von Stellen oder die Schließung von Einrichtungen« betreiben. Dies sei »nicht erstrebenswert«, sei aber Umständen eine »notwendige Konsequenz«.