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Theater unter freiem Himmel (04.08.2004)






Kurz vorm Ende der Saison ist doch noch Freilichtbühnen-Wetter: In Porta Westfalica wird der »Glöckner von Notre Dame« geboten, in neuer, werkgetreuer Fassung, mit Viechern, Feuer, Stunts und allem, was zu einem echten Theater-Spektakel gehört.

von Matthias Harre


Charles Laughton, Anthony Quinn, Anthony Hopkins – große Schauspieler haben ihn verkörpert, den vermeintlichen Titelhelden des französischen Romans, den Glöckner von Notre-Dame. Und doch war für Victor Hugo nicht der Glöckner Mittelpunkt seiner Erzählung.


Als das Bauwerk bröckelte

Dem grandiosen Romancier des 19. Jahrhunderts ging es um das Bauwerk, die steinerne Kathedrale in Paris. Das Denkmal für die Allmacht Gottes und der katholischen Kirche erwuchs aus den konkurrierenden Eitelkeiten von Bischöfen und Kardinälen, die sich im Wettlauf um das höchste, größte und erhabenste Gotteshaus gegenseitig auszustechen versuchten. 1163 wurde der Bau begonnen, der letzte Bauabschnitt im ausgehenden Mittelalter endete 1351.

Als Hugo seinen Roman 1831 begann, war die Kirche in ihrer Substanz gefährdet. Der ausdrücklich auch antiklerikale Impuls der französischen Revolution hatte nicht nur Plünderungen des Inventars der Kirche zur Folge, auch bloßes Baumaterial war gefragt. Die Kirche schien dem Verfall gewidmet zu sein. Hugos »Notre Dame de Paris«, der Zusatz »Glöckner von« ist eine Erfindung deutscher und englischer Übersetzer, löste eine Welle von Spenden zur Renovierung der Kathedrale aus, die ihr Überleben erst ermöglichten.


Altes Werk in neuer Fassung

Um den Roman in eine film- oder eben theatertaugliche Form zu bringen, sind die verschiedenen Autoren unterschiedliche Wege gegangen. Und haben sich allzu oft weit vom Original entfernt: Da durfte Esmeralda nicht sterben und wurde von Quasimodo vorm Galgen gerettet, Erzdiakon Frollo musste als Kirchenmann das Gute verkörpern, also machte man seinen Bruder Jean zum Bösen, oder Hauptmann Phöbus ging als strahlender Held durch den Film, der seine Geliebte, wie bei Hugo angelegt, nicht verraten durfte.

Natürlich ist es unumgänglich, dass eine Theater- oder Filmfassung Kürzungen und Straffungen mit sich bringt, die neu erstellte Portaner Fassung 2004 verzichtet aber bewusst auf Verfälschungen des Originals und erzählt die Geschichte weitgehend so, wie Victor Hugo sie erfunden hat. Denn »Notre Dame de Paris« erzählt aus einer fast fatalistischen Sicht von der Verwobenheit menschlicher Schicksale. Helden und Schurken sind nicht aus eigenem Antrieb böse oder gut, sondern immer abhängig von Handlungen Dritter, die beeinflusst werden können. Ein zutiefst menschliche Sichtweise, die das Theater nicht als moralische Anstalt, sondern als Spiegelung von Wirklichkeit versteht. So treffen Gut und Böse, Arm und Reich, Tragödie und Komödie oft überraschend krass aufeinander – eine hervorragende Folie für einen anregenden Theaterabend.

Das Stück wird noch an den nächsten beiden Wochenenden, jeweils Freitag und Samstag um 20.30h gespielt. Um Kartenvorbestellung wird gebeten unter Tel. 0571. 71 368. Weitere Informationen, zum Beispiel übers aktuelle Kinderstück »Tom Sawyer«, das Sonntag nachmittags gespielt wird, gibt die Goethe-Freilichtbühne Porta Westfalica auf ihrer Website <a href="http://www.portabuehne.de.">http://www.portabuehne.de.

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