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Gut und Böse (Teil 2)






Nach der bestaunbaren Kür kommt zum Schluss aber auch die Pflicht: Wie auf jeder Zigarettenpackung darf in dieser Ausstellung der Hinweis auf die gesundheitlichen Wirkungen nicht fehlen: Im letzten Ausstellungsraum finden sich Aufnahmen von Raucherlungen und ein Stück Wand – herausgeschnitten vom Künstler Weizenfeld – das innerhalb von vier Jahren so heftig beraucht wurde, dass die Tapete oben ganz wirklich gelb ist. Nur die Stelle, wo das Tahiti-Poster als Sinnbild einer exotischen Ausbruchswelt hing, ist schön hell: Hinter Tahiti kam der Tabakdunst nicht hin.

Das Nachtschattengewächs gelangte 1519 nach Europa, 1586 führte Kapitän Ralph Lane mit seiner Matrosenbesatzung Rauchtabak aus Virgina ein. Noch heute ist der US-Bundesstaat Quell so manchen Rauchkrauts. Anfangs wussten die Europäer noch nicht ganz mit dem Tabak umzugehen, irrtümlich wurde er für ein indianisches Heilmittel gehalten. Doch schon bald setzte sich die Genusserfahrung durch: Tabak wurde geschnupft, gekaut und eben inhaliert.


Exotische Bilder

Mit dem Einzug des Tabaks in Europa entstand eine künstliche Welt. Dies dokumentiert die Ausstellung an Hand zahlreicher Werbefiguren. Diese standen im 17. Jahrhundert in Apotheken und Tabakgeschäften und sollten den wilden Ursprung des Tabaks zeigen. Die Figuren waren entsprechend vorzugsweise mit Hüftschurz und Federkrone ausgestattet. »Aus heutiger Sicht eindeutig eine diskriminierende Darstellung«, urteilt Museumsdirektor Michael Strauß, der mit seinem Team die Ausstellung konzipierte. Die Tabakfiguren in der Ausstellung spiegeln auch zwei damals konträre Sichtweisen: den »primitiven« und den »edlen Wilden«. Der Primitive hatte eine große Schale auf dem Kopf, der Edle rauchte eine vornehme dünne Zigarre.

Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich die Zigarette im Deutschen Reich. Zuvor hatten die Reichen und Mächtigen schon Zigarre und Pfeife qualmen lassen, ein Bild in der Ausstellung zeigt Friedrich Wilhelm I. im Kreise seines Tabakkollegiums. Dort wurde, wie später in der demokratischen Variante des Salons, Politik getrieben, viel geraucht und getrunken.





Rauchen und Frauen? Auch dies hat die Ausstellung im Blick. Zwischen Emanzipation und Erotik wogte das Bild der rauchenden Frau hin und her. Schon während des Dreißigjährigen Krieges, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, haben Frauen aller Stände Pfeife geraucht. Rauchen war von Beginn an keineswegs nur Männersache, wurde jedoch von der männlichen Elite nicht gerne gesehen. Der Macht des Faktischen entzog sich die Werbung. Sie stellte Frauen und Tabak einerseits als intellektuellen, emanzipierten Habitus dar. Andererseits sollte der Tabak das Verruchte und Unmoralische ausdrücken: Frauen und Rauchen in dieser Variante erregte die männliche Fantasie und sollte zum Tabakkauf anregen..


»Die deutsche Frau raucht nicht«

Diese Klischees schafften den Sprung in die Gegenwart: Sie vollziehen sich immer wieder als Filmmotiv gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Prominente Frauen zeigten sich gerne rauchend. Und auch die zeitgenössische Tabakwerbung greift gerne auf die dekorative Frau zurück: So ist in der Ausstellung eine überdimensionierte Zigarre zu sehen, wo das Foto einer Frau dort klebt, wo normalerweise die Banderole auf einer Zigarre angebracht ist. Die Nationalsozialisten hingegen plakatierten: »Die deutsche Frau raucht nicht«. Trotzdem erhielten die Frauen im Zweiten Weltkrieg auch die Raucherkarten, allerdings nur halb so viele wie die Männer. Ohne Tabak, so schien es trotz aller Propaganda wohl den Nationalsozialisten, ließ sich der Krieg nicht überstehen.