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Lehre mit gewisser Schwere (28.09.2004)






Von Manfred Horn

Kann man heutzutage im fortgeschrittenen Zeitalter des Hedonismus noch eine Lehre inszenieren, ohne Leere zu produzieren? Regisseur Alexander Hawemann, DDR-Flüchtling mit Regieabschluss an der Ernst-Busch-Schule in Berlin unter wiedervereinigten Bedingungen, sagt »ja« und bringt lauthals ›Dantons Tod‹ von Georg Büchner auf die Bühne des Stadttheaters beziehungsweise des Spielorts Theaterlabor.

Um es gleich vorwegnehmen: Ein zweites ›Fest‹ ist Dantons Tod nicht. Ein Vergleich von Äpfeln und Birnen? Nutzpflanzenmethaporisch gesprochen ja. Aber auch diese beiden Früchte müssen sich vergleichen lassen, um den Unterschied auszumachen. Ist das eine ein Fest für die Sinne, ist das andere ein dreistündiger Perma-Frost des Sinns.

Der Vergleich einer Demokratie des Bush’schen Zuschnitts und des Faschismus wäre dem Autor Büchner, der eingangs des 19. Jahrhunderts lebte, vermutlich lieber. Herta Däubler-Gmelin hatte der Vergleich von Bush und Hitler im Jahr 2002 das Amt der Justizministerin gekostet – ungeachtet der Tatsache, das ein Vergleich eben keine Gleichsetzung ist, sondern im besten Fall dem Erkenntnisgewinn dient.


Wer ist das Volk?

Wer von Bush und Hitler spricht, ist mitten drin im Büchnerschen Theater. Hawemann fügt dem hinzu: »Wir sind das Volk«. Das große Thema von Dantons Tod ist modern gesprochen der Staatsterrorismus: Gehandelt wird im Namen des Volkes, doch das Volk wird gar nicht mehr gefragt. Büchner hegte große Sympathien für die Ideen der französische Revolution, ›Danton’s Tod‹ rechnet mit ihr ab: Mit den Protagonisten, denen Macht und Macht-Nichts ziemlich schnell wichtiger waren als dieses ominöse Volk.

Auf der einen Seite ist da der blutige Machtapparat von Robespierre (gespielt von Max Grashof), der seinen eigenen Kopf durch das Rollen anderer Köpfe retten will. Auf der anderen Seite der Revolutionsheld Danton (Thomas Wolff), der sich inzwischen mehr für Frauen und Feiern interessiert als für Politik. Desillusionierung, Karikatur, Zynismus: Der Rückzug ins Private, der liebliche Duft von heiterer Besinnungslosigkeit umströmt ihn und seine Gefährten. Robespierre, in seinem Inneren ganz gerne rein und ganz ein mit dem Volk, beschließt die Tötung von Danton und seiner Anhänger.

Auf der einen Seite der Repräsentant der Revolution, der meint, töten zu müssen, um die Freiheit zu retten, auf der anderen Seite eine müder Mann, der nicht mehr im Blut umherwandeln will. Ein Disput, der immer existierte und – so steht zu befürchten – auch immer bestehen wird. Dies macht Büchner aktuell: Ob George W. Busch, der die Demokratie verteidigen will und dabei Krieg in die Welt und Unterdrückung in die eigene Gesellschaft bringt, ob die zahllosen Protagonisten realsozialistischer Machtaparte des verflossenen 20. Jahrhunderts, die letztlich wie feudale Regimes mit dem Recht zum Leben und zum Töten herrschten. Kein Ausweg nirgends wird sichtbar.


Kalte Macht

Hawemann zeigt in seiner Inszenierung beides ausführlich: die Schwärze und Einsamkeit des Machtapparats und die weiße, angebliche Unschuld des Danton, der die Farbe des Blutes nur noch als alkoholisierten Rebensaft kennen will. Robbespiere kennt die Freuden nicht, er will die Verkörperung des Volks beziehungsweise seiner eisernen Tugenden sein, er ist die aller Farben beraubte Verdichtung eines Kollektivs. In seinen stärksten, weil lebendigsten Momenten, zerquetscht er eine Orange in einer Hand. Er wird immer wieder von St. Just angefeuert – brillant gespielt von Matthias Reiter – der Wut und Gefühl spielt und diese Energie gezielt in Richtung Robbespiere lenkt, der das Feuer in seiner Herrschaftslogik in kalte Tötungspläne übersetzt.