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Lehre mit gewisser Schwere (Teil 2)






Die schwarze Seite der Macht bleibt dabei vollkommen beziehungslos. Untereinander gibt es nur Komplizentum und unter wohlfeilen Worten verkleidete Stiefelleckerei. Folgt man der Inszenierung Hawemanns, sind Robespierre und sein Gefolge ein schwarzes Loch, das Geschichte macht, aber keine Geschichte hat. Selbst das potentielle Drama, mit Danton jemanden zu töten, der vor kurzem noch einer der wenigen Freunde war, wird kühl verhandelt.


Bleiben Sie bitte auf Abstand

Die ganze Inszenierung wird getragen von sicherer Distanz, nichts und niemand, was den Zuschauer erschüttert. Verstärkt wird die emotionslose Sachlichkeit durch eine schlicht gehaltene Bühnenbeleuchtung, die manchmal gar mit dem kalten Licht von Neonröhren auskommt. Diese Distanz, die den Zuschauer anregen soll, selbst nachzudenken, statt in Emphatie zu versinken, ist im Grundsatz Brechtsches Theater. Es setzt auf die Oberfläche, auf die körperliche Präsenz und Aktivität der Schauspielerinnen, kehrt aber nicht ihr Innerstes nach Außen. Bei Hawemann wirkt alles gestellt, er kontakariert damit die Illusionsfläche Theater. Selbst der Sex, das Reiben groben Leders, bleibt ein mechanischer Vorgang ohne Gefühl. Worin genau der Eros der Mächtigen besteht, wird nicht gezeigt. Hawemanns Entwurf zeigt bis auf wenige Ausnahmen Resultate und verliert sich nicht in der Psychologie: Es ist, was ist.

Problematisch wird es da, wo er das Volk, in diesem Fall die Zuschauer, nicht mehr ernst nimmt, wo er zur Parodie auf Büchner und Brecht ansetzt. Das Volk auf fähnchenschwenkende und recht simpel gestrickte Personen zu reduzieren, die entweder für die einen oder die anderen sind, mag noch angehen, zuweilen recht komisch wirken. Doch die Reichen des Stückes umzubiegen in die Reichen von Ostwestfalen, ist so platt, dass es eigentlich nicht ernst gemeint sein kann. Hawemann spielt hier und da mit Formen des Agit-Prop-Theaters und meint wohl, dies demaskiere sich von selbst.

Das Bühnenbild kommt recht statisch daher, was zum eingeengten Kosmos der handelnden Personen passt. Hawemann ließ eine zweite Bühne in der Bühne errichten, das ›Theatre de Republique‹, die Bühnenbildnerin Lina Gühne setzte sie ganz ans Ende der Spielfläche. Dadurch wird der Spielraum groß, aber nicht deutlicher: Der Saal im Theaterlabor wird dadurch zum schier endlosen Schlauch.

Zudem kann sich Hawemann nicht entscheiden, was tun mit dieser Bühne. Manchmal ist sie eine Bühne auf der Bühne, erlaubt ein Spiel im Spiel, manchmal auch nur Auf- und Abgangsort. Gelungen hingegen der Einfall, die SpielerInnen unter der Bühne abgehen – oder besser abrobben – zu lassen. Unverständlich bleibt die Musik: Angesagter Balkan-Brass und hier und da Heay Metal. Der Regisseur Hawemann lebte zwar einige Zeit in Belgrad, aber warum er quasi adaptiv auf die moderne Balkan-Volksmusik setzt, vermittelt sich dem Zuschauer nicht.


Volle Pulle ohne Alternative

Figuren sind es nicht wirklich, die da auf der Bühne stehen. Es sind Schauspieler bei der Arbeit. Das Ensemble gibt alles, rackert sich auf und ab. Hawemanns Entwurf fordert die sportliche Kondition der Spieler. Leise Töne oder gar langsame Bewegungen sind ihm fremd. Er setzt auf volles Tempo. Im Prinzip richtig: Die Anschlüsse sind in rasantem Tempo gesprochen, jede Bewegung strahlt Dynamik aus. Doch die volle Pulle übersetzt sich nicht in sicheres Mitfühlen der Zuschauer. Und das ist Absicht so, aber auch gut so? Denn ist die Distanz zu groß, fängt das Publikum nicht einmal mehr an zu denken. Wenn Brecht, dann recht: Der Zuschauer sollte erleben, dass das Dargestellte auch anders möglich ist, dass er etwas ändern kann. Doch die Alternative schwingt nicht bei dieser Inszenierung nicht mit, weil das Drama nicht so recht ins Rollen kommt.