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Naziaktivitäten mit Steuermitteln? (27.04.2005)





Gegen Rechts, aber wie? Annelie Buntenbach und Wolf-Dieter Narr diskutierten. In der Mitte Moderator Helmut Polläne



Der 60.Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus dient in diesen Tagen immer wieder der historischen Analyse. Bei einer Podiumsdiskussion am vergangenen Freitag in der Bürgerwache am Siegfriedplatz stand jedoch eine aktuelle Debatte auf der Tagesordnung. »Mit dem starken Staat gegen rechts?« war die Frage, zu der sich am vergangenen Freitag Annelie Buntenbach, ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete, und Wolf-Dieter Narr, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der FU Berlin, einen Schlagabtausch lieferten.


Von Mario A. Sarcletti

Dass die beiden Protagonisten der Podiumsdiskussion am vergangenen Freitag in der Bürgerwache etwas gegen Rechtsextremismus haben, war den Besuchern der Podiumsdiskussion am Freitag in der Bürgerwache sowieso klar. Auch darüber, dass Rechtsextremismus auch in der Mitte Gesellschaft zu finden ist, herrschte Konsens. Über die Frage, wie militanten Rechten jenseits der Mitte begegnet werden sollte, gab es jedoch einige Diskussion.

Einig waren sich Wolf-Dieter Narr und Annelie Buntenbach darüber, dass ein Verbot der NPD das Problem des Rechtsextremismus nicht löse. »Dass gerade Migranten, Behinderte und Obdachlose rechtsextremer Gewalt sind, ist doch kein Zufall«, sah Buntenbach einen Zusammenhang von Rechtsextremismus und dem politischen Mainstream. Auch Wolf-Dieter Narr erkannte den Extremismus der Mitte, nämlich darin, »wie in der Bundesrepublik Lager installiert und Vorurteile produziert werden«. Narr verwies auch darauf, dass während die so genannten »Anständigen« mit Bundespolitikern an der Spitze »aufstanden«, Menschen aufgrund der Gesetze, die diese Politiker gemacht hatten, abgeschoben wurden.

Wolf-Dieter Narr, Mitglied des »Komitees für Grundrechte und Demokratie«, beschrieb den Unterschied zwischen seiner Position und der Buntenbachs so: »Annelie Buntenbach traut diesem Staat und seinen Institutionen. Ich bin nicht staatsvertraulich«, sagte Narr. Zudem sei der starke Staat ein Projekt der Rechten. Narrs Skepsis gegenüber dem Staat dürfte auch in seiner Biographie begründet sein: »Ich wurde vor dreißig Jahren selbst mit Berufsverbot belegt«, erzählte er.

Annelie Buntenbach zu unterstellen, dass sie »dem Staat traut«, geht aber wohl zu weit. »Ich will jetzt nicht meine These verbreiten, dass eine Abschaffung des Verfassungsschutzes eine der wirksamsten Schläge gegen die rechtsextreme Szene wäre«, deutete sie ihre Skepsis gegenüber staatlichen Institutionen an. Ihre Forderung nach staatlichem Vorgehen gegen Rechtsextremismus ist eher pragmatisch begründet. Sie verwies darauf, dass etwa die NPD aus ihrem Parteienstatus Demonstrationen anmelden könne oder – wie in Sachsen – Konzerte organisiere, »in deren Umfeld auch Übergriffe stattfinden«. Zudem bringe das Parteienprivileg steuerliche Vorteile. »Da hat man Naziaktivitäten mit Steuermitteln finanziert«, empörte sich Buntenbach. Ein Teilnehmer der Veranstaltung erklärte später, dass dreißig bis fünfzig Prozent des NPD-Etats aus Steuermitteln finanziert werden.

Die Meinungsfreiheit könne für Nazis nicht gelten, »da deren Meinung die Freiheit anderer verletzt. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen«, findet nicht nur die ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Grüne. Ein NPD-Verbot, mit dem die Kader ausgegrenzt werden sollten, wäre zudem ein Signal an die Öffentlichkeit. Sie erinnerte an den Kampf gegen das Zentrum der inzwischen verbotenen Nationalistischen Front in Pivitsheide bei Detmold. »Wenn die wirklich gefährlich wären, wären die doch verboten«, habe sie oft von Anwohnern des Nazizentrums gehört.