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Die Sozialreformen aus Gütersloh (Teil 3)



Rot-grün habe eigentlich keine neoliberale Ausrichtung, sagt Fischler. Warum aber hat sich diese Bundesregierung dann so entscheidend von der Bertelsmann-Stiftung beraten lassen? Nun, Bertelsmann habe ein besonderes Geschick darin, andere dazu zu bringen, etwas zu tun, das sie nicht wirklich wollen, sagt Fischler. Die Expansion der heutigen Bertelsmann AG setzte nach ein paar krummen Geschäften während der NS-Zeit 1945 an. Nach und nach wurde aus dem provinziellen Verlag ein familiengeführtes Großunternehmen. Bekannt wurde Bertelsmann bundesweit durch den Lesering, der mit aggressiven Methoden – Bertelsmann hatte in den 1950ern die meisten Prozesse wegen unlauteren Wettbewerbs, sagt Fischler – in den Markt gedrückt wurde.

In den 1960er Jahren wurde der schnöde Standort Gütersloh mit Allerweltsliteratur um die Glitzerwelt Film ergänzt: Bertelsmann kaufte UfA und Constantin. 1969 dann folgte der Einstieg bei Gruner + Jahr, der damaligen Nummer zwei auf dem Printmedienmarkt. Damit war Bertelsmann an ›Stern‹, ›Spiegel‹ und der ›Zeit‹ beteiligt. Keine ideologische Präferenz für kritische und liberale Medien, sondern der Versuch, dem Branchenriesen Springer Umsatz abzujagen, motivierte damals Mohn. So kam ihm auch die von der Linken geführte Anti-Springer-Kampagnen zu pass, weil sie einerseits den Springer-Konzern mürbe machte und andererseits für das eigene Geschäft die nötige mediale Ruhe zur weiteren Expansion herstellte. Denn da Bertelsmann an den »linken« Leitmedien ›Stern‹,›Spiegel‹ und ›Zeit‹ beteiligt war, konnte der Konzern sich sicher sein, das ihm nicht unangenehm hinterher-recherchiert wurde.

Anfang der 80er entstand das Privatfernsehen, Bertelsmann erkannte den Wachstumsmarkt, wollte mitmischen. Die Kohlregierung hatte aber eher Verbindung zu Leo Kirch, der der CSU nahestand. So ging Bertelsmann den Umweg über RTL mit Sitz in Luxemburg und kaufte sich SPD-Politiker wie Manfred Lahnstein ein, um zumindest in SPD-regierten Ländern eine terrestrische Privatfernseh-Frequenz zu bekommen. Spätestens da galt Bertelsmann als SPD-Laden, sagt Fischler. Bertelsmann brauchte die SPD, um auf dem deutschen Medienmarkt zu wachsen. Aber die SPD »lehnte sich auch an den Konzern an«, findet Fischler. Denn wer große Medien hat, kann eine Partei auch schon mal ins rechte Licht setzen. So seien Schröder und Fischer lange Zeit Lieblinge der sogenannten ›Hamburger Kumpanei‹, also ›Stern‹, ›Spiegel‹ und der ›Zeit‹ gewesen.


SPD zu stark angelehnt

Diese historische Verquickung zwischen dem Bertelsmann-Konzern, der die SPD benutzte, um dicker ins Geschäft zu bekommen, und der SPD, die wiederum aus Eigeninteresse auf gefällige Publizität in den Bertelsmann-Medien setzte, hätte in der Gegenwart schließlich dazu geführt, dass die SPD eine »große Neigung verspüre, bei Bertelsmann die Wünsche sehr genau zu berücksichtigen«. Seit die Bertelsmann-Stiftung den Konzern ergänzt, hat Bertelsmann ein weiteres publizistisches Instrument, eigene Konzepte populär zu machen – auch wenn das bei den Sozialreformen deutlich misslang.

Fischler bringt es für sich klar auf den Punkt: Die eigentliche Idee der Sozialreformen komme nicht von der Bundesregierung, sondern von der Bertelsmann-Stiftung mit ihrem Oberhaupt Reinhard Mohn. Diese habe die Bundesregierung mit Popularität und Konzepten ausgestattet. »Man konnte die SPD dazu bringen, diese Reformen zu realisieren«, sagt er, und fügt an: »Mit der CDU wäre das nicht gegangen«. »Stellen sie sich einmal vor, wie viele Montagsdemonstrationen es dann gegeben hätte?«


Das Buch zum Thema: Frank Böckelmann, Hersch Fischler: Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums. Eichborn Verlag 2004, ISBN: 3-8218-5551-7

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