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»Man muss auch fördern« (17.08.2005)





Britta Haßelmann: Gegen Mehrwertsteuer-Erhöhung und für höheren Spitzensteuersatz




Britta Haßelmann ist in Bielefeld eine alte Bekannte. Seit 1983 lebt sie in Bielefeld, das Studium an der Fachhochschule verschlug sie vom Niederrhein in die Teutometropole. Seitdem ist sie einfach mal hiergeblieben. Die Diplom-Sozialarbeiterin ist seit Ende der 1980er bei den Grünen aktiv, war im Stadtrat und ist seit Juni 2000 Vorsitzende der Grünen in NRW. Nun strebt sie nach Berlin und ist Direktkandidatin der Grünen bei der Bundestagswahl. Der WebWecker sprach mit ihr über ihre Motivation für den Wechsel und ihre Positionen vor allem in der Sozialpolitik.



Interview: Manfred Horn


Was hat Sie dazu motiviert, nun für den Bundestag zu kandidieren?

Ich arbeite schon seit 1989 für die Grünen. Zunächst kommunal, seit fünfeinhalb Jahren nun bin ich Landesvorsitzende der Grünen. Mich reizt es, was Neues zu machen. Ich will mich stärker in bundespolitische Themen einmischen.


Seit 1985 sind sie mit der ›BIS‹, der ›Bielefelder Selbsthilfe‹ verbunden, haben Sozial- und Gesundheitspolitik und deren Auswirkungen auf Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, hautnah mitbekommen. Halten Sie die Sozialreformen, also im Kern die Hartz- Gesetze und die Gesundheitsreform, für sozial gerecht?

Zunächst: Ehrenamtlich bin ich noch in der Bielefelder Selbsthilfe aktiv.

Zu Ihrer Frage: Wir brauchen eine Reform der sozialen Sicherungssysteme. Ich fand ich es immer richtig, Grundsicherung aus einer Hand zu bieten. Deswegen habe ich mich auch dafür ausgesprochen, dass wir Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammenlegen. Grundsätzlich fand ich die Beschlüsse dazu richtig. Fehler und Versäumnisse bei den Hartz- Reformen müssen wir eingestehen. Ich habe mich schon vor einem Jahr dafür ausgesprochen, dass wir an bestimmten Punkten Korrekturen vornehmen. Die Frage der Zumutbarkeit, der Anrechnung der Altersvorsorge, der Anrechnung des Partnereinkommens standen für mich schon vor einem Jahr in der Kritik. Nun haben wir diese Fragen beim Bundesparteitag nochmals intensiv diskutiert. Wir wollen eine armutsfeste, soziale Grundsicherung auf die Tagesordnung setzen und sie Schritt für Schritt realisieren.


Nun wollen die Grünen eine deutliche Erhöhung des ALG-II. Ist das Wahlkampfgeklimper oder verschiebt sich da was bei den Grünen?

Ich habe selber 15 Jahre in dem Bereich Arbeit und Beschäftigung gearbeitet. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Qualifizierungsangeboten war für Sozialhilfeberechtigte nicht gesichert. Wenn die Grünen sagen: Wir wollen Korrekturen und eine Weiterentwicklung zu einer armutsfesten Grundsicherung, ist das unser Anspruch beim Thema Gerechtigkeit – und nicht Wahlkampf.

Ich nenne ein Beispiel: Man kann bezüglich der Altersvorsorge nicht eine private Säule einbauen und gleichzeitig in der Hartz- Gesetzgebung diese Vorsorge anrechnen. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass es an solchen Stellen Korrekturen geben muss.


Im Moment scheint bei Arbeitslosen das Fordern vor dem Fördern zu kommen.

Die Frage ist: Wie schaffen wir es überhaupt, Chancen auf Arbeitsplätze im ersten und zweiten Arbeitsmarkt, den es auch in Zukunft geben wird, zu entwickeln? Fördern ist sehr wichtig, das kommt bei der Umsetzung der Reform noch zu kurz. Wenn ich will, dass diese Menschen eine eigenständige Lebenssicherung haben, dann muss ich sie fördern. Es muss eine Balance geben: man kann nicht nur fordern, man muss auch fördern.